Tod im Moseltal
rechnen?«
»Ich suche sofort nach den Fotos. Es dauert aber schon allein drei Minuten, bis mein alter Rechner hochgefahren ist. Und die Fotos habe ich nicht digital, sondern muss sie erst noch einscannen. Viertelstunde, zwanzig Minuten?«
»Vielen Dank.« Er gab ihr noch seine E-Mail-Adresse durch und verabschiedete sich knapp.
Genau zwölf Minuten später kam die E-Mail aus der Hansestadt mit insgesamt fünf Fotos, davon eins, das Marion Reens als Teenager zeigte. In derselben Minute wurde die elektronische Post nach Luxemburg weitergeleitet, mit einer kurzen Aufforderung, die Fotos sofort anzuschauen. Weitere drei Minuten später klingelte Buhles Telefon.
»Wen hast du mir da geschickt?«
»Das ist Marion Reens, geborene Schroeder. Die Schulfreundin unseres Hauptverdächtigen Thomas Steyn, mit der er sich angeblich am Wochenende des Mordes getroffen hat.«
»Das ist unglaublich.«
»Nein, dadurch wird alles glaubhaft. Lass mich raten, deine Tote hat ein Tattoo neben dem Venushügel, einen Skorpion.«
»Das weiß ich nicht. Die Leiche dürfte gerade in der Leichenhalle angekommen sein. Es ist zudem Wochenende, und ich habe keine Ahnung, wann wir einen unserer Gerichtsmediziner zu fassen bekommen. Wir müssen uns unbedingt treffen.«
»Ich hab schon unsere Staatsanwältin –«
»Pfeif auf die …« Ducard fiel wohl gerade der Ärger ein, den Buhle sich am letzten Wochenende eingehandelt hatte. »Mist. Sieh zu, dass sie sich beeilt. Ich werde mich auf unserer Seite darum kümmern. Addi.«
Die Soko Domäne starrte auf den Bildschirm, als ob auf den beiden Fotos darauf Aliens abgebildet gewesen wären. Dabei sahen sie lediglich ein Foto von der Toten in Luxemburg und eins von Marion Reens.
Es hätten auch zwei Bilder ein und derselben Person in unterschiedlichen Lebenssituationen oder von Zwillingen sein können, so frappierend war die Ähnlichkeit. Als Erster fand Reuter die Sprache wieder.
»Das gibt’s doch nicht, dass sich zwei Menschen, die nicht miteinander verwandt sind, so ähnlich sehen können.«
»Das ist wirklich mehr als ungewöhnlich. Aber ihr wisst auch, was das bedeutet?«
Sie sahen sich gegenseitig an, je nach Charakter betroffen, sorgenvoll oder angriffslustig. Jeder wusste es.
Den ganzen Nachmittag glühten die Telefonleitungen zwischen Trier, Mainz, Bonn und Luxemburg. Je nach Kompetenzbereich wurden Zuständigkeiten geklärt, Formalitäten erledigt, Informationen und Ermittlungsergebnisse ausgetauscht. Es war schließlich kurz nach zwanzig Uhr, als das Rechtshilfeersuchen erfolgreich war und die deutschen Kriminalbeamten Gerhardts und Buhle in offizieller Mission den unbewachten Grenzübergang Mesenich auf der A 64 in Richtung Luxemburg überquerten. Sie wollten sich mit Kollegen aus Luxemburg, Belgien und Frankreich in der gemeinsamen Stelle der grenzüberschreitenden Polizeizusammenarbeit in Luxemburg-Stadt treffen.
Vier Stunden später kehrten sie zurück. Da Buhle zu Fuß zur Arbeit gekommen war, fuhr Gerhardts ihn nach Hause. Vor der Hofeinfahrt hielt er und machte den Motor aus. Sie saßen schweigend da, bis Gerhardts das Wort ergriff.
»Wir hatten recht, von Anfang an.«
»Ja. Aber es gibt mir trotzdem kein gutes Gefühl. Hätten wir Unrecht, säße der Mörder jetzt in U-Haft, und die Sache wäre erledigt. Jetzt müssen wir auf die Jagd gehen, um ihn zu fangen, damit er nicht weitermordet.«
»Wen können wir jetzt von unserer Täterliste streichen?« Gerhardts nahm seine Finger zu Hilfe. »Als Erstes: Michs Zufallseinbrecher, denn an Zufälle glaube ich bei dem Fall nicht mehr. Zweitens Steyns Schwester oder andere Frauen, denn die Zeugin in Belgien hat eindeutig ausgesagt, dass Elena Voiculescu mit einem Mann mitgegangen ist. Thomas Steyn ist auch aus dem Rennen, jetzt, wo seine Geschichte bestätigt wurde.«
»Davon können wir ausgehen. Es bleiben also die Ex-Schüler mit Motiv, wobei Ährenberg und Mazzomaid derzeit am ehesten in Frage kommen. Die anderen Alibis müssen aber noch nachgeprüft werden. Und dann der große Unbekannte, der aber zweifellos Steyn sehr gut gekannt haben muss. Da sind für mich Kollegen, Geschäftspartner und Beteiligte an diesem Geheimprojekt mögliche Kandidaten.«
»Was meinst du, wo der Täter sich jetzt aufhält?«
»Er war sicher die ganze Zeit in der Nähe. Wenn ich er wäre, hätte ich mich unter falschem Namen sogar mitten in der Stadt eingemietet. Er hatte ja nichts zu befürchten und alles unter Kontrolle.« Buhle atmete
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