Tod im Moseltal
stimmen kann, würde er das eingestehen?« Gerhardts klang mehr als skeptisch.
»Das muss es nicht heißen. Steyn könnte auch eine Finte wittern und bei seiner Geschichte bleiben. Aber einen Versuch sollte es wert sein. Michs Variante ist zumindest theoretisch möglich.« Buhle hatte die Diskussion mit zunehmender Spannung verfolgt. Reuters Gedanken waren nachvollziehbar und sicher nicht gewagter als die Theorie von einer inszenierten Rache nach zwanzig Jahren.
»Nur wenn man da mal weiterspinnt: Es macht unsere Suche nach dem Täter nicht leichter. Denn dann könnte es auch jeder dahergelaufene Einbrecher getan haben, der vielleicht vom Opfer erwischt wurde.«
»Aber die Fingerabdrücke auf der Tatwaffe?«, warf Nicole ein.
»Thomas Steyn wohnt in dem Haus, es ist sein Messer.«
»Die Spuren von Fesseln?«
»Vielleicht doch Sexspielchen, von mir aus auch etwas härter.«
»Die verschwundene Satin-Bettwäsche?«
Reuter holte tief Luft. »Keine Ahnung, Nicole. Ich habe eben nicht versprochen, den Fall gelöst zu haben. Aber wenn wir hier schon gewagte Theorien mit von vor zig Jahren gemobbten Mitschülern verfolgen, dann sollten wir auch an vielleicht sehr zufällige, aber naheliegendere Möglichkeiten denken.«
»Also, wenn wir schon an Einbrecher denken, müssen wir auch ausloten, wer sonst noch einen triftigen Grund haben könnte, Thomas Steyn etwas Derartiges anzuhängen. Denn wir sollten nicht außer Acht lassen, was seit dem Mord noch gegen die Familie Steyn gelaufen ist. Wo haben wir noch Menschen, die Thomas Steyn liebend gerne etwas anhängen würden?« Gerhardts sah ernst vom einen zum anderen.
Es entstand eine kleine Pause, bis Nicole Huth-Balzer zögerlich aufzuzählen begann: »Da gibt es sicher einige: die Kollegen in der Firma, vielleicht auch der Juniorchef. Berufliche Konkurrenten, die die ganze Industriellenfamilie Steyn treffen wollten. Seine Schwester, die es nicht mehr ertragen konnte, hinter dem verhassten Bruder nur die zweite Rolle in der Familie zu spielen. Selbst seine Frau hätte ein Motiv, wenn sie schon vorher gewusst hat, dass er sie betrügt. Aber«, sie holte tief Luft, bevor sie weitersprach, »ich glaube, in all diesen Fällen hätte niemand einen solchen Aufwand betrieben. Die Tat ist wirklich so konstruiert, als wolle der Täter Thomas Steyn öffentlich an den Pranger stellen. Als ob er für etwas büßen sollte. Dazu hätte höchstens noch die Schwester ein ausreichendes Motiv. An die Zufallsvariante von Mich, auch wenn sie natürlich denkbar wäre«, fügte sie rasch hinzu, »glaube ich, ehrlich gesagt, nicht bei dem, was sonst noch alles geschehen ist.«
Buhle nickte kurz mit zufriedenem Gesichtsausdruck, doch das Lob für die gelungene Kurzanalyse seiner Kommissaranwärterin überließ er Gerhardts.
»Das war eine treffende Analyse, Nicole. Wir haben momentan keine festen Anhaltspunkte für einen bestimmten anderen Täter, nur vage Indizien. Wenn wir also unsere Ermittlungen in Richtung einer Intrige gegen Steyn ausrichten wollen, haben wir erstens unglaublich viel zu tun und zweitens zwei lange Wochen vertan.« Er massierte sich mit Mittelfinger und Daumen die Nasenwurzel. »Es hilft alles nichts, wir müssen ran. Sven, Nicole, habt ihr heute noch Zeit, die Ermittlungsakten nach möglichen Tätern zu durchforsten? Da war doch auch noch dieses Geheimprojekt von Steyn, da wissen wir noch nichts drüber. Und dann dreht das Internet auf links, um alles zu bekommen, was eine Beteiligung der Verdächtigen an dem Mord möglich erscheinen lassen könnte.«
Tard stimmte sofort und fast schon erfreut zu, Nicole Huth-Balzer druckste etwas herum, sagte dann aber mit einem kurzen Seitenblick in Richtung ihres kaum älteren Kollegen zu.
»Mich«, Gerhardts wandte sich an Reuter, »wir nehmen uns Steyn noch einmal vor. Wenn der noch nicht mal redet, wenn wir ihn entlasten könnten, dann weiß ich auch nicht. Kannst du den Anwalt unterrichten, vielleicht erkennt der ja die Chance. Christian, setz dich bitte mit den Luxemburgern in Verbindung. Wir benötigen mehr Informationen über Dennis Mazzomaid. Dringend.«
»Ich glaube nicht, dass das so schnell geht, Paul. Henri Ducard hat heute Geburtstag, und du weißt, der offizielle Weg ist lang, und es ist Wochenende.«
»Dann ruf die Haupt an, sie soll Druck machen. Und Henri wird ja wohl nicht der einzige Polizist in Luxemburg sein.«
»Aber vielleicht der einzige, der uns schnell und unbürokratisch helfen würde. Ich schau, was
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