Tod im Moseltal
gegen den Mann vorliegen.« Er atmete noch einmal tief durch und bedeutete dem Kollegen, loszufahren. Dieser tat es widerwillig.
Die Büroräume der Section de Recherche in Luxemburg-Stadt hatten sich gefüllt. Alle verfügbaren Kräfte waren zusammengezogen worden, um die Ermittlungen nach dem Fund der Leiche gestern Morgen fortzuführen. Schon am Vortag hatten sich erste Ergebnisse eingestellt. Bei der Toten handelte es sich um die fünfund-dreißigjährige Isabelle Girardot, geborene Korath. Mit vierundzwanzig war die gelernte Bürokauffrau aus dem an der Mittelmosel gelegenen Weindorf Piesport zu ihrem Freund nach Luxemburg gezogen. Acht Monate später hatten sie geheiratet, nach fünf Jahren war die Ehe geschieden worden. Kurz danach hatte sie begonnen, in einem Club auf der anderen Seite der belgischen Grenze zu arbeiten. Später hatte sie zusätzlich in ihrer Wohnung in Atterbach die gleiche Tätigkeit in Eigenregie ausgeübt. So konnte sie über die Akten der Kollegen vom Kommissariat für Sexualdelikte leicht identifiziert werden. Sah man von ihrem Beruf ab, war sie in Luxemburg nicht weiter auffällig geworden.
Am späten Samstagnachmittag hatte Ducard der gerichtsmedizinischen Untersuchung beigewohnt. Das Erste, was er suchte, war die von Buhle erwähnte Tätowierung am Unterleib der Toten. Er fand nichts, wies aber den Rechtmediziner darauf hin, noch einmal gezielt danach zu suchen. Später bekam er die Rückmeldung, dass Spuren von Kosmetikfarbe gefunden worden seien, die durchaus von einem Fun-Tattoo stammen konnten.
Todesursache und -Zeitpunkt waren leicht zu ermitteln gewesen: Isabelle Girardot war erdrosselt worden, nachdem sie zuvor unter Gewaltanwendung überwältigt worden war. Der Mediziner fand Hämatome an Körper und Hals, die auf gezielte Schläge hindeuteten. Er vermutete einen kampferprobten Täter. Als Tatzeit wurde zunächst der Donnerstagabend zwischen zwanzig und dreiundzwanzig Uhr bestimmt.
Gefunden hatte die Leiche der Schweißhund eines Jägers in einem Waldstück knapp zehn Kilometer südlich von Atterbach. Offensichtlich stimmte der Fundort nicht mit dem Tatort überein. Weitergehende Beweise fanden die Polizisten von der Kriminaltechnik in der Wohnung des Opfers, einer Dachwohnung in einem kleinen Haus mit Bäckerei in der Dorfmitte.
All das hatten die deutschen Kommissare Buhle und Gerhardts bereits am Vorabend erfahren. Nun waren sie wieder auf dem Weg in die Hauptstadt des Großherzogtums, um die dortigen Ermittlungsarbeiten zu begleiten und Verbindungen zu ihrem Fall aufzuspüren. Viel gab es auf der Fahrt zwischen den beiden nicht zu bereden, nur eine Neuigkeit konnte Gerhardts, der das Auto in der ZKI abgeholt hatte, Buhle mitteilen. Klaus Menzel hatte angefragt, ob der Fund der Toten in Luxemburg im Zusammenhang mit dem seinem Mandanten vorgeworfenen Mord stünde. Gerhardts hatte auf die laufenden Ermittlungen der luxemburgischen Kollegen verwiesen und ein Treffen für den Nachmittag in der JVA in Aussicht gestellt. Beide ahnten, dass der Anwalt bereits vor Ende des Gesprächs über den Text für die Beantragung eines Haftprüfungstermins für Thomas Steyn nachgedacht hatte.
Sie hatten die Zentrale der Section de Recherche gerade betreten, als ihnen Ducard mit einem jungen Kollegen entgegenkam.
»Kommt mit, wir haben eine interessante Zeugin am Wohnort der Toten«, begrüßte er die beiden Kollegen und eilte bereits an ihnen vorbei.
Madame Pauline Joubert war eine Frau Anfang fünfzig. Sie trug einen hellbraunen, über die Knie reichenden Rock. Damit korrespondierte eine Kette mit dicken, unregelmäßig runden Holzperlen, die schwer über ihrer bis oben zugeknöpften Bluse in merkwürdigem Mintton lag. Pauline Joubert wog sicher zwanzig Kilo zu viel, weshalb ihre Körperkonturen unter den eher eng geschnittenen Kleidungsstücken deutlich hervortraten. Lippen, Augen und Wangen waren üppig geschminkt, und es war offensichtlich, dass sie sich für die Besprechung mit dem Kommissar besonders hergerichtet hatte. Umso erfreuter war sie, als sie erkannte, dass die Präsentation ihrer Langzeitrecherche sogar der hospitierenden deutschen Kriminalpolizei zuteilwerden sollte.
»Madame Joubert, mein Kollege hat mir berichtet, dass Sie über Aufzeichnungen bezüglich der Besucher von Isabelle Girardot verfügen?«, eröffnete Ducard das Gespräch.
»Allerdings.« Madame Joubert hatte alle vier Polizisten um ihren Esstisch gruppiert. »Kann ich Ihnen nicht zuerst einen Kaffee
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