Tod im Moseltal
lassen auf ein Sexualdelikt schließen, wie aus dem Umfeld der Sonderkommission verlautet. Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass sich außer dem Hausbesitzer Thomas S. noch weitere Personen zur Tatzeit in dem Haus aufhielten.«
Buhle starrte einen Moment ungläubig auf den Artikel. Dann wurde ihm die Zeitung unter den Augen weggezogen, und es erschien das Titelblatt der luxemburgischen Wochenzeitung Lëtz-Talk.
»Lies!«, sagte Großmann erneut, und Buhle musste an schwarz geränderten Fingernägeln vorbeischauen, die davon zeugten, dass der Garten des Kriminaldirektors am vergangenen kirchlichen Feiertag winterfest gemacht worden war. Das passte zu dem nicht immer souveränen Äußeren seines Chefs.
»Nach Hinweisen aus polizeiinternen Kreisen gibt es Indizien für sexuellen Verkehr zwischen Täter und Opfer. Haben sich vielleicht sexuelle Spiele verselbstständigt und zu diesem tödlichen Ende geführt? Der von der Polizei bereits verhaftete Hauseigentümer Thomas S. soll in dieser Beziehung kein unbeschriebenes Blatt gewesen sein.«
Buhle schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, wo die das herhaben.« Er blickte wieder zu seinem Chef hoch. »Glaubst du etwa, dass einer von uns Ermittlungsergebnisse rausgegeben hat?«
Großmann kniff die Augen ein wenig zusammen, wie er es häufig tat, wenn er unsicher war. »Natürlich glaube ich nicht, dass einer von uns quatscht. Aber erklär mir dann bitte mal, wie die Presse an solche Informationen kommt. Sogar in zwei Zeitungen.«
»Keine Ahnung, wie die das geschafft haben«, wiederholte Buhle. »Die Frage ist, wie wir jetzt damit umgehen.«
»Wir müssen in die Offensive gehen. Ich werde gleich den Polizeipräsidenten darüber informieren, bevor er die Artikel selbst entdeckt und uns die Hölle heißmacht. Zum Glück haben wir endlich mal wieder einen von uns da oben sitzen, der nicht gleich in Panik verfällt, weil er seine politische Karriere in Gefahr sieht. Aber wir müssen eine Pressekonferenz abhalten, in der wir über die tatsächliche Verhaftung berichten und die Artikel, zumindest was die Faktenlage anbetrifft, bestätigen. Die Wertungen können wir ja dementieren. Mein Gott, was für ein Mist.«
»Was schreiben denn die anderen Zeitungen?«
»Nicht viel. Der TV hatte natürlich auch einen Reporter am Tatort.« Großmann zeigte auf ein Foto des Steyn’sehen Anwesens, das zwischen Überschrift und Artikel platziert war. »Schreibt aber nicht mehr, als er offiziell von uns wissen kann. Nur noch ein paar zusätzliche Statements von den Nachbarn, aber nichts Problematisches. Die Artikel in der Rhein-Zeitung und im Luxemburger Wort sind kurz und beruhen auf unserer Pressemitteilung. Die werden auch nicht darüber erfreut sein, dass die Konkurrenz mehr Informationen von der Kripo bekommen hat.«
Großmann raffte die Zeitungen zusammen. Im Weggehen raunzte er Buhle zu: »Du solltest endlich mal Zeitungen lesen.« Er schnaufte noch mal kurz auf. »Ich werde Kopien machen lassen, die du in der Soko verteilen kannst. Achte darauf, wie deine Leute reagieren, wenn …« Er sprach nicht weiter und verließ den Raum, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
Natürlich hatten bei der kurzfristig einberaumten Teamsitzung alle Mitglieder der Sonderkommission sauer auf die Presseberichte reagiert. Für Buhle stand es außer Frage, dass keiner seiner Mitarbeiter Informationen nach außen gab. Viele andere Stellen konnten undicht sein: Spurensicherung, Rechtsmedizin, die Schutzpolizisten vom Tatort oder Kollegen, vor denen sie angegeben hatten. Ebenso Steyns Anwalt, die Nachbarn, Justizbeamte. Marie Steyn hatte auch einige Informationen, aber hatte sie einen Grund? Nein, das wäre nicht schlüssig. Aber egal wo eine mögliche undichte Stelle war, sie mussten zweifelsfrei aufpassen, das war klar.
Buhles Uhr zeigte kurz nach elf, als Hubert Monz in seiner nüchternen, souveränen Art die Pressekonferenz eröffnete. Der große Sitzungssaal des Polizeipräsidiums war bis auf den letzten Platz gefüllt. Buhle spürte die Unruhe unter den meisten Journalisten. Als Monz die Verhaftung von Steyn erwähnte, raunte Rüdiger Lehnen, Chefredakteur des Trierischen Volksfreunds, seinem Kollegen für alle hörbar und höhnisch zu: »Ach, ist da wer verhaftet worden?«, was von den meisten anderen Journalisten mit zustimmendem Gegrummel beantwortet wurde. Lediglich Luc Toudoux von LëtzTalk quittierte die Bemerkung mit einem spöttischen Lächeln.
Buhle trug die wichtigsten
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