Tod im Moseltal
herum sich verändern mochte. Irgendwann würde jemand den Lehmhügel abtragen, und niemand würde sich mehr an ihn erinnern. Darin lag wohl der wesentliche Unterschied zu seinem Berg der Schuld, der so gewaltig war, dass keiner je die Chance hatte, ihn zu beseitigen.
Nach dem gestrigen Verhör mit Thomas Steyn hatten Buhle und Gerhardts sich noch kurz ausgetauscht. Die vorliegenden Indizien deuteten auf Thomas Steyn als Tatverdächtigen hin. Dennoch waren beide von ihrem Gefühl her der Ansicht, dass sein Verhalten nicht dem eines Mörders entsprach. Gerhardts war anschließend nach Hause gefahren; Buhle wollte noch die zwischenzeitlich vorliegenden Berichte der Kollegen zu einer ersten Ermittlungsakte zusammenfügen.
Viel Neues hatte es nicht gegeben. Die Nachbarn waren schockiert oder hatten sich alles bereits gedacht, je nachdem wie ihr Verhältnis zum Verdächtigen oder seiner Familie war. Die einzige bedeutsame Aussage, die das Auto der Steyns in der Tatnacht betraf, blieb vage.
Der Inhaber der Firma, in der Steyn arbeitete, machte hingegen einen tief betroffenen Eindruck. Offensichtlich hatte er ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu seinem leitenden Mitarbeiter und konnte sich die Tat überhaupt nicht vorstellen. Hinweise auf mögliche Feinde konnte er ebenso wenig geben. Der Arbeits-PC Steyns wurde mitgenommen, brachte aber bei der ersten Durchsicht keine weiterführenden Erkenntnisse. Es fanden sich ausschließlich die Arbeit betreffende Daten zum Betrieb, zu Projekten, zur Energiepolitik der Regierung und der EU. Es gab zwar einen Ordner, der versteckt und zusätzlich mit Passwort gesichert war, doch darin waren lediglich Konzepte und Planungen zu einem Projekt in der Region abgelegt, das mit dem Fall nicht in Verbindung zu stehen schien.
Die Berichte der Spurensicherung und der Rechtsmedizin waren ergänzt worden, brachten aber keine neuen Anhaltspunkte.
Es war bei der vorliegenden Beweislage eindeutig, dass ein dringender Tatverdacht gegen Thomas Steyn vorlag. Das Gespräch mit Staatsanwältin Klara Haupt dauerte dann auch gerade mal fünfzehn Minuten. Buhle vermutete, dass Steyn bereits unmittelbar danach dem Haftrichter vorgeführt werden würde.
Eigentlich war der Fall nun schon Routine, dachte er, als er wieder in seinem Büro saß. Sie würden versuchen, ein Geständnis von Steyn zu erwirken. So wie er Klaus Menzel einschätzte, würde das aber daran scheitern, dass er seinem Mandanten lediglich erlaubte, die Geschichte von der verschwundenen Freundin gebetsmühlenartig zu wiederholen und ansonsten zu schweigen. Wenn sich Steyn nicht in Widersprüche verstricken ließ, bliebe der Soko zwar die Last, das Gegenteil seiner Geschichte zu beweisen, egal wie abwegig die Sachverhalte waren. Aber mit dem Alibi von Marion Reens und den vermutlich eindeutigen Spuren am Tatort dürfte das nicht schwer werden. Auch dass Thomas Steyn die Polizei selbst gerufen hatte, würde ihn vor Gericht kaum entlasten. Zu häufig hatten Täter so von sich ablenken wollen, um später doch überführt zu werden.
Ein wirkliches Problem, das sie lösen mussten, war das fehlende Motiv. Für einen geplanten Mord schien es derzeit noch keine Anhaltspunkte zu geben. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass jemand in Zusammenhang mit Sex im Affekt mordete, ohne dies geplant, vielleicht sogar ohne es gewollt zu haben. Sie würden etwas finden, um diese These stützen zu können, da war Buhle sich sicher.
Ohne Anklopfen wurde seine Zimmertür aufgestoßen. Herbert Großmann betrat schnaufend den Raum, und Buhle fragte sich, ob der Grund für den hochroten Kopf, von dem sich der weiße Haarkranz leuchtend abhob, in der fehlenden Fitness seines Chefs lag oder in dem Stapel an Zeitungen, die flatternd seinen weit ausholenden Armbewegungen folgten.
»Hast du schon in die Zeitung geschaut? Das darf doch nicht wahr sein.« Großmann knallte die Ausgaben der lokalen Printmedien auf den Schreibtisch. Buhle konnte gerade noch seine halb volle Teetasse wegziehen.
Die Mosella-Zeitung hatte den Mord auf der Titelseite. Ein Foto vom Haus der Familie Steyn mitsamt der Absperrung und den zwei Schutzpolizisten in abwehrender Haltung illustrierte den Text. Buhle schaute fragend zu seinem Vorgesetzten auf. »Und?«
»Lies!« Großmann zeigte auf den zweiten Absatz unter dem Aufmacherfoto.
»Bei dem unbekannten Opfer soll es sich um eine möglicherweise osteuropäische Frau im Alter zwischen dreißig und vierzig Jahren handeln. Erste Spuren
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