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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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Ermittlungsergebnisse bewusst ruhig und sachlich vor. Er versuchte, ein paar Aspekte hervorzuheben, die noch nicht in einer der Zeitungen gestanden hatten. Viel Zeit nahm er sich, das Opfer anhand von Fotos, die an die Wand hinter ihm projiziert wurden, zu beschreiben, und bat die Medienvertreter, bei der Identifizierung der Toten zu helfen. Es war deutlich spürbar, wie sich die negative Haltung der Journalisten allmählich änderte.
    Während Klara Haupt in ihrer beeindruckend selbstsicheren Art die Untersuchungshaft für Thomas Steyn begründete, beobachtete Buhle aufmerksam die Journalisten. Meike Lamberty von der Lokalredaktion des Südwestrundfunks hatte wie immer konzentriert zugehört, während ihre Kollegen die Pressekonferenz vollständig in Bild und Ton aufnahmen. Es war also möglich, dass er sich heute Abend noch in der »Landesschau« oder »Landesschau aktuell« bewundern konnte.
    Ihre deutlich jüngere Hörfunkkollegin Hannah Sobothy ließ den O-Ton für ihre Radioreportage vom RPR ebenfalls mitschneiden, machte sich aber hier und da Notizen. Die Ausführungen der Staatsanwältin schienen sie zu irritieren. Sie strich ihr knielanges Kleid entlang der Oberschenkel glatt und schaukelte dabei mehrmals von einer ihrer wohlgeformten Pobacken auf die andere. Sobothy war die einzige der jüngeren Frauen, die Buhle kannte, die ausschließlich Kleider oder Röcke trug. Vielleicht war dies den weiblichen Proportionen ihrer Figur geschuldet, die in engen Tops und Jeans womöglich weniger vorteilhaft wirken würden. Einen kurzen Moment war Buhle über die Gedanken erstaunt, die er sich gerade machte.
    Während Rüdiger Lehnert vom Trierischen Volksfreund nahezu ohne Bewegung mit vor der Brust verschränkten Armen dasaß, schrieb sein Mitarbeiter Claudio Zerani fast unaufhörlich mit. Buhles besonderes Interesse galt aber den beiden Reportern von MoZ und LëtzTalk. Robin Flieger von der Mosella-Zeitung kannte er schon länger. Flieger schoss in seinen polemischen Artikeln häufig gegen Polizei und Staatsanwaltschaft. Gute Recherche schien da weniger wichtig als markige Vokabeln; eine Einschätzung, die eine treue Leserschaft zu teilen schien und die das Überleben der »einzigen Alternative zum Volksfreund« nun schon einige Jahre sicherte.
    Den Vertreter des luxemburgischen Wochenblatts LëtzTalk hatte er vor der Konferenz bei seiner eigenen Kurzrecherche lediglich auf einem Foto gesehen. Auch die Zeitung selbst hatte er vorher noch nicht wahrgenommen. Nun wusste er, dass Luc Toudoux Redakteur für die europäische Großregion Luxemburg, Lothringen, Saarland, Rheinland-Pfalz und Wallonien war. Mit seinem frisch frisierten, grau melierten Haar, dem weißen Hemd, teurer Stoffhose und beigem Kamelhaarmantel stach er im Kreis der sonstigen Lokalredakteure deutlich hervor. Was Buhle aber eher Anlass zur Sorge gab, war Todouxs überheblicher Gesichtsausdruck: Es war der eines Spielers, der wusste, welche Trümpfe er noch im Ärmel hatte. Als Einziger der Journalisten saß Todoux nicht in einer der Stuhlreihen, sondern lehnte aufreizend lässig an der Wand des Sitzungssaals.
    Nachdem die Ausführungen von Polizei und Staatsanwaltschaft abgeschlossen waren, meldete sich als Erste Hannah Sobothy zu Wort. »Frau Staatsanwältin, Sie hatten eben bemerkt, dass noch nicht von einem dringenden Tatverdacht bei dem Verhafteten auszugehen ist. Aber wenn Sie ihn doch verhaftet haben, gehen Sie da nicht davon aus, dass er der Täter ist?«
    Klara Haupt lächelte die unerfahrene Journalistin milde an. »Sehen Sie, wir können den laufenden Ermittlungen nicht vorgreifen. Es stehen noch wichtige Untersuchungsergebnisse, zum Beispiel der DNA-Analysen, aus. Zahlreiche offene Fragen müssen noch beantwortet werden. Es ist ein häufiger Trugschluss, dass ein Täter bereits gefunden ist, wenn die Staatsanwaltschaft eine Untersuchungshaft veranlasst. Wenn wir das tun, bedeutet es lediglich, dass wir nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen davon ausgehen können, dass ein Verdächtiger an einer Straftat beteiligt ist. Erst wenn die weiteren Ermittlungen ausreichend Beweise liefern, dass ein Verdächtiger tatsächlich der Täter ist und wir eine Verurteilung in einem Gerichtsverfahren für wahrscheinlicher halten als einen Freispruch, werden wir Anklage erheben. Aber auch dann, und das lassen Sie mich hier in dieser Runde noch einmal ganz deutlich unterstreichen, auch dann ist der Angeklagte noch immer nicht automatisch der Schuldige.

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