Tod im Moseltal
zusammenzubekommen. Es sind einfach zu viele Menschen davon betroffen, die lieber Atomstrom aus der Steckdose als Wind- oder Solarenergie direkt vor der Nase haben wollten. Denken Sie nur an das Hickhack mit der Solaranlage oberhalb von Ruwer. Der Leidensdruck im Energiesektor ist nicht stark genug, als dass die Leute diesen Landschaftsverbrauch einfach so hinnehmen.«
So langsam hatte sich von Steyn warm geredet. Auch wenn seine Worte immer noch nüchtern gewählt waren, spiegelte seine Stimme doch einen gewissen Enthusiasmus wider.
»Wenn wir es schaffen, in unseren eigenen vier Wänden unseren individuellen Energiebedarf selbst zu erzeugen, dann könnte man mit Großanlagen in erträglichem Umfang Wirtschaft und Verkehr bedienen. Atom- und Kohlekraftwerke wären in wenigen Jahrzehnten vollkommen überflüssig. Und unsere fossilen Energieträger könnten noch jahrhundertelang als Rohstoffe veredelt werden, anstatt sie für Mobilität und Wärme zu verpulvern.«
Jetzt hörte sich der grauhaarige Unternehmer von Steyn an wie ein fundamentalistischer Grünenpolitiker auf Wahlkampf. Nur worauf er eigentlich hinauswollte, wusste Buhle immer noch nicht. Gerhardts schien das Thema aber zu interessieren. Er fragte nach: »Ja, und wie soll das Problem gelöst werden?«
So etwas wie ein Hauch von Triumph erschien im Gesicht Philipp von Steyns. »Die wenigsten wissen, was heute schon alles technisch möglich ist. Können Sie sich vorstellen, dass unser Haus hier unseren kompletten Energiebedarf inklusive zweier strombetriebener Autos produziert?«
Gerhardts zuckte mit den Schultern.
»Und nicht nur das, wir könnten noch eine vierköpfige Familie mit versorgen. Es gibt nur ein Problem: Das kann sich derzeit keiner leisten. Wir leben hier, wenn man es so sagen will, in der Zukunft. Nur damit es auch die Zukunft aller wird, muss noch viel in Forschung und vor allem in eine günstige Produktion investiert werden. Das soll meine letzte Lebensaufgabe sein.«
Buhle hatte geduldig zugehört. Sicherlich waren das alles sinnvolle Informationen, um sich von dem ambitionierten Unternehmer ein Bild zu machen. Irgendein Hinweis, der in Bezug zu dem Mord stand, war darin jedoch nicht enthalten. Er räusperte sich. »Herr von Steyn, ich muss noch einmal auf Ihr persönliches Verhältnis zu Ihrem Sohn zurückkommen. Können Sie uns das näher erklären?«
Gerhardts ließ sich tief in das weiche Leder der Rückenlehne sinken. Juliette von Steyn kniff die Lippen zusammen und schaute wieder besorgt zu ihrem Mann.
Nur Philipp von Steyn selbst schienen die Worte nicht zu erreichen. Mit leicht entrücktem Blick sann er wohl noch seiner zukünftigen Lösung des Energieproblems der Industrieländer nach. Gerade als Buhle seine Frage wiederholen wollte, antwortete von Steyn doch noch:
»Nein, ich kann Ihnen das nicht erklären. Fragen Sie meine Schwiegertochter. Als promovierte Psychologin und Ehefrau meines Sohnes wird sie Ihnen vielleicht eine fundierte Analyse vorlegen können.« Mit Bitterkeit fügte er hinzu: »Aber sie hat das ja bis heute ignoriert. Letztendlich gibt es wohl zwei Möglichkeiten: Entweder hat einer von uns beiden versagt, oder wir beide haben versagt. Ich persönlich tendiere zur zweiten Möglichkeit.«
»Aber Sie können uns sicher sagen, seit wann Ihr Verhältnis zu Ihrem Sohn so belastet ist.«
»Nein, auch das kann ich leider nicht. Wahrscheinlich habe ich damals überhaupt nicht mitbekommen, wie er sich vom Säugling zum Kind entwickelt hat. Ich habe damals nur für die Firma gelebt. Als ich verstand, dass mit Thomas etwas nicht stimmte, war es schon zu spät.«
»Und Ihr Verhältnis hat sich auch später nicht mehr positiv entwickelt?«, fragte Buhle nach.
Jetzt schaltete sich Juliette von Steyn wieder ein. »Später hat Thomas Energietechnik studiert, und wir hatten natürlich sehr gehofft, dass er nach dem Studium in eine unserer Firmen einsteigen würde. Er hatte ja auch eine Familie gegründet, und es gab zunächst Anzeichen der Annäherung. Aber als er uns mitteilte, dass er wieder zu Seckerath zurückgehen wolle, traf das besonders meinen Mann hart. Vielleicht war es gut, dass in diesem Jahr so viel passierte, mit unserem Umzug nach Trierweiler, der Geburt von Mattis …«
»Hat Ihr Sohn einen Grund für seine Entscheidung genannt?«
Juliette von Steyn schwieg, sodass ihr Mann sich genötigt sah, zu antworten. »Er sagte einmal, er wolle sein eigenes Leben leben und nicht das seines Vaters
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