Tod im Moseltal
wollen Sie wissen?«
Buhle versuchte, etwas von der Kälte aus seiner Stimme zu nehmen. »Wie gesagt, wir stehen noch am Anfang der Ermittlungen. Insofern untersuchen wir den Fall selbstverständlich in alle Richtungen.«
Bei Juliette von Steyn schienen seine Worte so etwas wie einen Hoffnungsschimmer zu erzeugen. Sie machte einen beinahe unmerklichen Ansatz, etwas zu sagen, ließ es dann aber. Ihr Mann blieb völlig unbeeindruckt.
»Fakt ist, dass eine Frau ganz offensichtlich im Haus Ihres Sohnes ermordet wurde. Ihr Sohn behauptet zwar, dass er das Opfer nicht kenne, es gibt aber keine Anzeichen, dass sich jemand anders in dem Haus aufgehalten hat. Ihr Sohn sagt, dass eine alte Freundin, eine Marion Schroeder, sich mit ihm verabredet habe und es dabei auch zu intimem Verkehr gekommen sei. Kennen Sie diese Freundin Marion?«
Philipp von Steyns Gesichtsausdruck hatte sich nochmals deutlich verdunkelt. Er zeigte unverhohlen Abscheu gegenüber dem, was Buhle über seinen Sohn berichtete. Eine Antwort konnte er nicht geben. Das übernahm seine Frau.
»Ja, Marion Schroeder war Thomas’ engste Schulfreundin. Ich … wir waren froh, dass er nach einigen Anfangsschwierigkeiten im Internat eine Vertraute gefunden hatte. Sie haben viel zusammen unternommen, aber davon hatte Tom uns natürlich nur das Nötigste und Unverfänglichste erzählt. In dem Alter erzählen die Kinder einem ja nichts, und Thomas war im Odenwald, also weit weg von uns. Irgendwann in der Oberstufe hat sich das Mädchen dann in einen Jungen verliebt. Danach hat Thomas sie eigentlich nicht mehr erwähnt und Nachfragen von mir immer nur abgewiegelt.«
»Das heißt, auch in letzter Zeit fiel der Name Marion nicht mehr zwischen Ihnen?«
Juliette schaute bedrückt zu Boden, dann in das versteinerte Gesicht ihres Mannes. Leise sagte sie: »Wir sehen Thomas und seine Familie nur selten. Es ist … es ist ein schwieriges Verhältnis zwischen unserem Sohn und … uns.«
Juliette von Steyn berichtete in groben Zügen von dem schwierigen Kind Thomas, das sie hier nicht in den Griff bekamen und als letzte erzieherische Lösung in ein Internat gaben, wo er sich offenbar fing.
Im Flur klingelte ein Handy. Philipp von Steyn nutzte dies als Unterbrechung des Verhörs und verließ hastig den Raum. Durch die offene Tür wurden Buhle und Gerhardts Zeuge des Telefonats. Von Steyn schien einen Geschäftspartner beschwichtigen zu müssen, und es war offensichtlich, dass er dazu einiges an Rhetorik aufwenden musste.
Nach ein paar Minuten kam er zurück. Das Handy ließ er in seine Hosentasche gleiten, schaute etwas unschlüssig zu den Polizisten und setzte sich schließlich wieder auf das Ledersofa. Er nahm einen Schluck von dem Wasser, das seine Frau in der Zwischenzeit serviert hatte, und verschluckte sich fast, als das Handy in seiner Hosentasche zu klingeln und zu vibrieren anfing. Bis er es schaffte, es mit einer Hand herauszuholen, war es bereits wieder verstummt. Genervt ließ er sich die Nummer des entgangenen Anrufes anzeigen. Er schien sie zu kennen.
»Ein Anruf von der EIB. Die haben mir grad noch gefehlt.« Ein Blick zu den Polizisten genügte, und von Steyn erklärte: »Die Europäische Investitionsbank. Wie Sie vielleicht wissen, sind wir 2006 mit unseren kompletten Betrieben in den Industriepark nach Föhren umgezogen. Das war nötig, weil wir an den alten Standorten in Konz und Zewen aus allen Nähten platzten, und vor allem weil ich, bevor es für mich zu spät war, noch etwas Neues machen wollte.« Er sah herausfordernd vom einen zum anderen. »Meinen Sie, die Menschen, die in der Nähe unserer Anlagen leben, sind froh mit Windmühlen, die immer gigantischer werden, mit hektargroßen Solarfeldern, oder Biogasanlagen, umgeben von riesigen Maisfeldern?«
»Na ja«, sagte Gerhardts, überrascht von der plötzlichen Heftigkeit dieser rhetorischen Frage, »schön sind die Anlagen vielleicht nicht, aber …«
»… aber besser als Atom- oder Kohlekraftwerke. Meinen Sie das? Da mögen Sie recht haben, aber so denken nicht alle. In Europa gibt es noch zahlreiche Länder, die uneingeschränkt auf Kernkraftwerke setzen, und glauben Sie ja nicht, dass sich die großen Energiekonzerne das Geschäft mit der Verstromung von Braun- und Steinkohle entgehen lassen. Solange es genügend Energie aus zentralen Kraftwerken von wenigen Konzernen gibt, wird es in unseren Breiten nicht genug Druck geben, um genügend Fläche für regenerative Energieanlagen
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