Tod im Moseltal
zum Weitergehen auf.
Während Nora der Anweisung folgte, blieb Mattis in der Diele stehen.
»Was ist, Mattis?«
Als Antwort blickte er auf seine Hände, die ein imaginäres Stück Papier rollten.
»Möchtest du erst den Opa begrüßen? Und die beiden Polizisten?«
Mattis nickte, ohne den Kopf zu heben. Juliette wuschelte dem Jungen die Haare und sagte betont aufmunternd: »Na, dann komm, stell die Sachen einfach hier ab. Die Herren sind im Wohnzimmer. Opa freut sich schon auf euch.«
Marie blickte ihrem Sohn und seiner Großmutter nach. Es war eindeutig die richtige Entscheidung, die Kinder hier zu Juliette zu bringen. Durch die Tür sah sie, wie Mattis. zuerst den beiden Kommissaren die Hand gab und dann Philipp zaghaft in den Arm nahm. Zusammen mit Juliette setzte er sich aufs Sofa und schmiegte sich eng an sie.
Marie wollte Nora folgen, doch die kam ihr auf der Treppe schon wieder entgegen.
»Darf ich jetzt auch die Kommissare sehen?«
Marie lächelte und nahm ihre Tochter von der oberen Stufe weg in ihre Arme. Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer.
Gerhardts bemühte sich um einen kindgerechten Dialog mit Nora und Mattis, aber ermittlungsbezogene Fragen wollte keiner der Polizisten in Anwesenheit der Kinder stellen. Schließlich lud Gerhardts die beiden zu einer Fahrt mit einem »echten Polizeiauto« ein. Nachdem Marie Steyn ihre Zustimmung gegeben hatte, waren sie unter sich, »für eine Viertelstunde; schließlich müssen wir ja auch mal schnell über die Autobahn fahren«, wie Paul Gerhardts augenzwinkernd meinte.
Buhle nahm das Gespräch wieder auf. »Bevor die Kinder zurück sind, muss ich Ihnen Dreien eine Frage stellen, zumal es ja auch schon in der Zeitung stand.« Er unterbrach sich selbst, als er bemerkte, dass Marie Steyn ihn fragend ansah. »Wir haben in diesem Fall eine unerwartet aggressive Berichterstattung in den Medien. Haben Sie noch keine Zeitung gelesen?«
Marie Steyn schüttelte den Kopf, aber Buhle sah ihr an, wie Befürchtungen und daraus resultierender Zorn in ihr aufstiegen.
»In einer Zeitung wurde berichtet, dass Ihr Familienleben schon lange nicht mehr intakt sei. Es wurden Seitensprünge angedeutet. Auch dass die Tat mit sexuellen Handlungen einherging, wurde bereits verbreitet. Letzteres mussten wir dann auf der Pressekonferenz bestätigen. Es tut mir wirklich leid, dass diese Details schon jetzt in der Öffentlichkeit kursieren; wir wissen momentan noch nicht, über welche Quellen einige Journalisten verfügen.«
Buhle versuchte einen Blickkontakt, stieß dabei aber nur auf ein glühendes Funkeln im Schwarz von Marie Steyns Augen. »Frau Steyn, Ihr Mann hat uns gegenüber sexuellen Kontakt zu anderen Frauen bestätigt. Können Sie uns etwas darüber sagen?«
»Sie wagen es, hier vor den Eltern meines Mannes diese Ungeheuerlichkeiten zu behaupten?«, zischte Marie Steyn. »Was geht Sie das überhaupt an? Ich habe Ihnen vom ersten Tag an gesagt, dass mein Mann nicht der Mörder ist. Finden Sie lieber den Täter, als in unserem Privatleben herumzuwühlen und Dinge nach außen zu tragen, die keinen etwas angehen. Haben Sie weiter nach Spuren gesucht, die meinen Mann entlasten? Oder sind Sie nur froh, so schnell einen Täter präsentieren zu können, um zu zeigen, wie toll die Kripo in Trier ist? Sie sollten jetzt besser verschwinden und Ihren Job tun.«
Es war völlig still in dem großen Raum.
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Frau Steyn«, sagte Buhle schließlich. »Ist Ihr Mann fremdgegangen? Hatte er über den sexuellen Verkehr mit Prostituierten hinaus Beziehungen zu anderen Frauen? Frau Steyn, wir müssen das wissen und am besten von Ihnen, damit wir nicht in anderen Kreisen dazu ermitteln müssen.«
Feuer und Eis: Die Metamorphose, die Marie Steyns Blick bei diesen Worten durchlief, war erstaunlich. Für Christian Buhle hatte der Begriff »Augenblick« von jeher eine andere Bedeutung gehabt als die der bloßen Zeitangabe. Für ihn war es die intensivste Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Innersten anderer Menschen. Und Menschen, die über ihre Augenblicke kommunizieren konnten, bewunderte er. Es waren stets Menschen voller Emotionen, voller Leben, also ganz anders als er selbst.
»Ich weiß nicht, ob mein Mann Sex mit anderen Frauen hatte«, Marie Steyns Stimme war jetzt fest und für alle deutlich vernehmbar, »ich vermute es aber. Zumindest bietet unser Sexualleben dafür jede Menge Freiraum, und mein Mann ist häufig genug auf langen
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