Tod im Moseltal
regionalen Baustil zu vereinbaren. Die zweifelsohne vorhandene Exklusivität hatte somit den Charme des Entdeckt-werden-Wollens.
Der Vorgarten war durch einen Holzlattenzaun, der auf einer niedrigen Schiefermauer gegründet war, eingefriedet. Dahinter öffnete sich ein nicht sehr großer, staudenreicher Garten, der nun im Herbst vor allem durch die langsam verblühenden Astern, Chrysanthemen und Dahlien geprägt war. Er machte einen leicht verwilderten Eindruck und unterschied sich damit erheblich von den umliegenden Grundstücken.
Buhle öffnete die Pforte und traf auf die von bemoosten Fugen gerahmten Schieferplatten des kurzen Weges, der zum Haus führte. Die schwere, dezent verzierte Holztür und die gleichartigen Fensterläden verliehen der in einem kräftigen Beige gehaltenen Fassade einen idyllischen Charakter. Das schwarz gedeckte Dach schien sich mit dem weiten Überstand schützend über das Haus zu legen. Wieder erst auf den zweiten Blick erkannte Buhle, dass es sich nicht um normale Dachziegel handelte, sondern um kleine Fotovoltaikelemente, die von ihrem Aussehen den regionaltypischen Schieferdächern recht nahekamen.
Die Tür wurde nur wenige Sekunden nach dem Ertönen der melodischen Klingel von einer Frau mit silbergrauen Haaren und dunkler moderner Brille geöffnet.
»Guten Tag, das ist Kommissar Paul Gerhardts, mein Name ist Christian Buhle. Wir hatten uns telefonisch angekündigt.«
»Guten Tag, Juliette von Steyn. Ja, wir hatten miteinander gesprochen. Kommen Sie bitte herein.«
Buhle folgte ihrer einladenden Geste und trat in die Diele. Der Terrakottaboden mit einer mit hohen Astern bestückten Bodenvase, die seitlich nach oben und unten führenden luftigen Buchentreppen und der schwach gelb eingefärbte Innenputz verliehen dem kleinen Raum eine angenehme Atmosphäre. Als einziger Wandschmuck gaben die zwei abstrakten, ruhig wirkenden Acrylgemälde dem Ambiente eine zusätzliche edle Note.
Juliette von Steyn geleitete die beiden Kommissare ins Wohnzimmer. Buhle war erstaunt über den großzügig wirkenden Raum, der fast das ganze Erdgeschoss einzunehmen schien. Der Eindruck wurde verstärkt durch den nach Süden anschließenden Wintergarten und die insgesamt sehr übersichtliche Einrichtung. Die mediterranen Fliesen der Diele setzten sich hier fort. Die Wände waren deutlich feiner verputzt und in verschieden intensiven, einander ideal ergänzenden Gelbtönen gehalten. Ein Vitrinenschrank mit unterschiedlichsten Kristallfiguren, ein ganz aus Glas bestehender TV-Schrank mit einem ultraflachen Fernseher und einer offensichtlich der Premiumklasse angehörenden Hi-Fi-Anlage, eine schwarze Ledergarnitur mit gläsernem Beistelltisch und ein aus massiver geölter Buche mit Schieferintarsien gearbeiteter Esstisch samt dazugehörigen Stühlen waren die einzigen Möbelstücke auf den gut vierzig Quadratmetern. Neben weiteren Bildern sorgten hier auch verschiedene Skulpturen für eine besondere Atmosphäre.
»Die Bilder und Statuen sind zumeist von Künstlern aus der Eifel, also keine Sammlung von Kunstschätzen. Aber ich meine, der Preis muss nicht immer etwas über die Qualität aussagen. Gefallen sie Ihnen?« Juliette von Steyn blickte fast verlegen, aber doch mit einem gewissen Stolz von den Kriminalbeamten zu ihren Schätzen und dann wieder zurück. Ohne eine Antwort zu erwarten, fuhr sie fort: »Ich hole meinen Mann, er ist wohl noch in seinem Arbeitszimmer. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Tee, Mineralwasser?«
Christian Buhle konnte seinen Blick noch nicht von der Figur eines weiblichen Aktes lösen. Er glaubte, in seinem Leben noch nie etwas so Unschuldiges und Anmutiges als Kunstwerk gesehen zu haben wie dieses fast kindliche Abbild eines Mädchens mit schüchtern gesenktem Blick. Als Gerhardts einem Glas Wasser zustimmte, nickte er nur.
Juliette von Steyn verschwand in der Diele und rief hinter der von ihr geschlossenen Tür nach ihrem Mann. Gerhardts murmelte mit deutlicher Wertschätzung in der Stimme: »Das Ganze hier hat schon Stil, Christian, oder? Du bist ja ganz hin und weg von dieser Figur da.«
Buhle atmete kurz durch und wandte sich dann Gerhardts zu. »Hast du das schon mal erlebt, dass du vor etwas stehst, und du wirst völlig unerwartet von einer Faszination befallen, die dich regelrecht gefangen nimmt? Das hier habe ich wirklich noch nicht erlebt. Ich bin … ich bin wirklich überwältigt.«
Sie hatten nicht gehört, dass Juliette von Steyn
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