Tod im Moseltal
fortsetzen. Mit diesem Drang nach Selbstständigkeit ist er mir sehr ähnlich. Ich kann ihm das also nicht vorwerfen.« Er hielt kurz inne. »Aber das ist natürlich nicht das, was man sich als Vater wünscht.«
»Hatten Sie ihm denn ein Angebot gemacht, als klar war, dass er bald mit dem Studium fertig werden würde?«, fragte Buhle nach.
Von Steyn schaute ihn lange an, als ob ihm erst jetzt, nach zehn Jahren, sein Versäumnis erstmals bewusst würde. »Nein.« Mehr brachte er dazu nicht heraus.
Buhle hatte gerade angesetzt, um nach dem Verhältnis der jungen Eheleute Steyn zu fragen, als es an der Tür klingelte.
Marie hatte um halb zehn den Intercity über Luxemburg bekommen. Die Kinder waren zwar zunächst etwas quengelig gewesen, machten aber dann doch gut mit.
Bis in die Nacht hinein hatte sie wach gelegen und überlegt, wie sie es den Kindern sagen sollte. Dann hatte sie beschlossen, ihnen einfach die Wahrheit zu erzählen.
Im Zug bekamen sie ein eigenes Abteil, und Marie nutzte die Gelegenheit, ihren Kindern die Situation möglichst sachlich zu erklären: dass eine tote Frau in ihrem Haus gefunden worden sei. Dass der Papa verdächtigt werde, die Frau umgebracht zu haben, weil er natürlich im Haus geschlafen hatte. Dass aber der Papa das ganz bestimmt nicht getan habe, er hatte ja auch sofort die Polizei gerufen. Die hatte ihm aber nicht geglaubt und ihn deshalb mitgenommen, damit sie ihn noch mehr befragen könne …. Nein, auch die Mama glaubte ganz sicher, dass der Papa unschuldig sei. Nur müsse die Mama jetzt versuchen, die Unschuld des Papas zu beweisen. Deshalb würden die Kinder jetzt eine Zeit lang bei Oma und Opa wohnen, bis alles geklärt und der richtige Täter hinter Gittern sei.
»… ja, es kann gut möglich sein, dass die Freunde und Mitschüler davon wissen …. Das ist mutig, dass du trotzdem in die Schule willst …. Natürlich kannst du auch zum Fußball gehen. Wenn die anderen Kinder blöd sind, dann hör einfach nicht hin …. Ja, ich glaube wirklich daran, dass der Papa es nicht getan hat …. Die Frau kennen wir alle nicht …. Du kannst bestimmt morgen bei der Oma bleiben und musst nicht unbedingt in die Schule. Aber das kannst du morgen noch entscheiden …. Nein, die Mama wird bei Peter übernachten, damit ihr genügend Platz in dem Gästezimmer bei der Oma habt …«
Noch bevor sie in den Bahnhof in Luxemburg einfuhren, hatte Marie es geschafft. Die Kinder waren erstaunlich ruhig geblieben. Konnten sie begreifen, was für eine Tragweite dieser Mord für ihren Vater und ihre ganze Familie haben würde?
Nach dem Umsteigen schauten Mattis und Nora gedankenverloren aus dem Fenster. Marie wusste, dass beide über das grübelten, was sie ihnen gerade offenbart hatte. Sie musste sich jetzt überlegen, wie sie weiter vorgehen wollte. Für die Kinder da zu sein, Thomas irgendwie beizustehen und gleichzeitig ihre Jobs zu erledigen würde sie nicht schaffen. Als sie innerlich die Rangfolge setzte, wusste sie, dass für ihren Beruf und damit ihre tief in ihr verwurzelten idealistischen Ziele wieder mal kein Platz war. Sie war in erster Linie Mutter, und Marie musste hintenanstehen.
Schweigend fuhren sie das letzte Stück entlang der Mosel nach Trier.
Als Marie mit den Kindern aus dem Taxi stieg, bemerkte sie vor dem Haus ihrer Schwiegereltern den Wagen der Kripo, mit dem sie zwei Tage zuvor nach Avelsbach mitgefahren war. Die Polizei konnte sie jetzt und hier wirklich nicht gebrauchen. Warten wollte sie aber auch nicht.
»Nora, Mattis. Es kann sein, dass wir genau richtig kommen, damit ihr noch echte Kommissare kennenlernt. Ich glaube, die besuchen gerade eure Großeltern.«
Marie sah ihren Kindern nach dieser Ankündigung an, dass bei beiden eindeutig die Skepsis überwog. Deshalb schob sie rasch nach: »Ihr müsst aber keine Angst haben, die sehen wie wir alle aus, und die müssen bestimmt Oma und Opa nur ein paar Fragen stellen und sind dann wieder weg. Los, wer ist zuerst an der Tür?« Nora gewann zum ersten Mal.
Als Juliette die Tür öffnete, bemerkte Marie, wie ihrer Schwiegermutter sofort die Tränen in die Augen schossen. Juliette herzte ihre beiden Enkel lange, und Marie war dankbar, dass auch sie fest in die Arme genommen wurde. Die Kinder standen bereits an der Treppe zur ersten Etage, als Marie und Juliette ihnen in die Diele gefolgt waren.
»Geht schon mal hoch und räumt eure Sachen aus. Ich habe euer Zimmer schon fertig gemacht«, forderte Juliette die beiden
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