Tod im Moseltal
eine Ahnung, wo die ausgelegt waren?«
Sichtlich dankbar für diesen entlastenden Zuspruch antwortete Klein: »Unter der Sternbank um den Schulhofbaum war wohl ein Stapel, dann noch an zwei weiteren Sitzgruppen am Rand. Anscheinend waren die Zettel in Packpapier eingepackt gewesen. Da lag jedenfalls was dabei.«
»Haben Sie eigentlich die Polizei informiert?«, fragte Marie den Schulleiter.
Ob vor Schreck über sein Versäumnis oder wegen des Begriffs »Polizei« konnte Marie nicht beurteilen, doch Bertram fing zu stammeln an: »Nein, wieso Polizei? Warum denn das? Das war doch sicher nur ein blöder Streich von irgendeinem Schüler, das muss man doch nicht …«
Marie musste sehr an sich halten, um den Rektor nicht anzufahren, Sophie Müller verdrehte die Augen, und selbst der Hausmeister hob erstaunt die Augenbrauen.
»Gut, ich mache das gleich. Frau Müller, könnten wir grad noch mal unter vier Augen …?«
Marie stutzte und wurde bleich: Nora. »Juliette, hast du Nora auch zur Schule gebracht, oder ist sie noch zu Hause?«
Auch ihre Schwiegermutter erschrak. »Mein Gott, nein, in der Schule.«
»Oh nein. Hat jemand die Nummer von der Grundschule am Weidengraben?«
Hubert Bertram zeigte auf die Tür zum Sekretariat, und in Sekundenschnelle war Marie dahinter verschwunden.
Zu ihrer Erleichterung war kein ähnlicher Vorfall an der Schule von Nora aufgetreten. Die Schulleiterin der Grundschule versprach aber, besonders achtsam zu sein. Gleich darauf rief sie Buhle an, der gar nicht erst lange nachfragte, sondern ein direktes Kommen ankündigte.
Zurück im Rektorzimmer sagte sie zu Mattis und Juliette: »Mit Nora ist zum Glück alles in Ordnung.« Sie wandte sich den anderen Anwesenden zu. »Ich habe den zuständigen Kommissar, der den Mordfall in Avelsbach bearbeitet, verständigt. Er wird gleich hier sein. Herr …« Marie war der Name des Hausmeisters genauso entglitten wie diesem die Gesichtszüge: Offensichtlich hatte er den Mord in Trier bislang nicht mit den Steyns in Verbindung gebracht. Sie setzte noch einmal an: »Bleiben Sie bitte auch verfügbar.«
Das Pausenklingeln drang ins Rektorenzimmer. Mattis schaute ängstlich zu seiner Mutter auf. Auch Marie war unsicher, und erst der feste, zuversichtliche Blick von Sophie Müller beruhigte sie etwas.
»Okay, Großer, jetzt geht’s los. Bist du bereit?«
Das bemüht mutige Nicken ihres Sohnes trieb Marie die Tränen in die Augen. Sie drückte Mattis fest an sich und übergab ihn schließlich seiner Lehrerin. Durch die offene Tür konnte sie sehen, wie er aufrecht und mit gehobenem Kopf einige Schritte vor Sophie Müller durch den weiten Flur ging und ihm bereits hier die ersten abschätzigen und neckenden Blicke seiner Mitschüler begegneten.
*
Kommissar Buhle betrat zusammen mit einer jungen Kollegin, die er als Nicole Huth-Balzer vorstellte, das Büro des Schulleiters. Nach einer kurzen Unterredung mit Marie und Bertram, in der er sich auf den aktuellen Stand brachte, ordnete er an, die Flugblätter einschließlich der Verpackung zu sichern. Das erledigte Nicole Huth-Balzer zusammen mit dem Hausmeister umgehend.
Während Buhle souverän und zielsicher agierte, stand Marie dabei und hatte Mühe, sich zu sammeln. Wenn sie daran dachte, was jetzt in ihrem Sohn vorgehen musste, wurde ihr regelrecht schlecht. Sie hörte fast wie aus der Ferne, wie Buhle zu Bertram sagte:
»Die wichtigste Frage aber ist: Wie und durch wen sind die Flugblätter in die Schule gelangt? Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat der Urheber sich frühmorgens auf das Schulgelände geschlichen, wobei er sich der Gefahr ausgesetzt hätte, beobachtet zu werden. Das kann natürlich auch ein Schüler hier von der Schule gewesen sein. Oder aber jemand hat sich eines Boten bedient, der am ehesten auch unter den Schülern zu vermuten wäre. Doch dann wäre er natürlich das Risiko eines Zeugen eingegangen.«
Marie hatte die Ausführungen von Buhle zum Schluss wieder aufmerksamer verfolgt. »Warum sollte ein Schüler Mattis so etwas antun? Er ist doch gerade mal ein Vierteljahr auf der Schule?«
»Ich denke, da sind Kinder noch zu etwas ganz anderem fähig. Das wissen Sie doch besser als ich. Wir müssen den Kreis der Verdächtigen möglichst weit einengen bei … Herr Bertram, wie viele Schüler haben Sie hier?«
»Etwas über elfhundert.«
»Das ist viel. Dann brauchen wir die Hilfe des gesamten Kollegiums. Bitte sorgen Sie dafür, dass in der nächsten
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