Tod im Moseltal
und kam auf Thomas zu, bis er kaum noch einen Meter von ihm entfernt wieder regungslos verharrte. Die blauen Augen hatten ihre Farbe leicht ins Graue verändert und blickten Thomas schonungslos direkt an.
»Anfangs hatte ich Ihnen diese hervorragend gemimte Orientierungslosigkeit fast abgenommen. Ist ja schließlich auch nicht ganz unbegründet nach einem solchen Ereignis.«
Ereignis? Wie konnte Buhle den Mord ein Ereignis nennen? Thomas fröstelte es angesichts dieser grenzenlosen Beherrschtheit des Kriminalisten. Die nun folgende Veränderung in der Stimme Buhles ließ ihn aber wie einen schockgefrorenen Wassertropfen innerhalb eines Augenblicks erstarren.
»Die Tote ist vermutlich vergewaltigt worden, Herr Steyn, bevor sie mit sieben Messerstichen brutal ermordet wurde. Sperma findet sich in ausreichender Menge in der Vagina der Leiche, auf der Bettdecke im Gästezimmer und … in Spuren in Ihrem Schlafanzug, den wir auf dem Bett in Ihrem Schlafzimmer gefunden haben. Wenn die Proben übereinstimmen, Herr Steyn, dann können Sie sich in einer sehr übersichtlichen Zelle weitere Anekdoten von plötzlich auftretenden Jugendfreundinnen ausdenken.«
Die Anschuldigung kam so unvermittelt, dass sogar das leichte Zittern der Hände, das seit dem Griff zum Telefonhörer nicht mehr gewichen war, schlagartig endete. Thomas wollte schlucken, doch nicht mal dieser Reflex funktionierte.
2
Trier-Avelsbach; Sonntag, 31- Oktober
Marie Steyn raste nach Trier, als ob der Tod hinter ihr her wäre. Doch den hatte sie auf der Fahrt seit Metz ständig vor Augen: in tausend Variationen von toten Frauen in allen Positionen und in allen Ecken ihres Hauses.
Kaum hatte der quälende Trierer Stadtverkehr sie freigegeben, fuhr sie das Tal hinauf zur Weinbau-Domäne Avelsbach. Wie schon in der Stadt nahm sie keine Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer. Ein Radfahrer musste so beinahe den fehlenden Radwegen in der Stadt Tribut zollen, doch er kippte zum Glück in eine Gruppe von Studenten, die an der Haltestelle auf den Bus zum Uni-Campus warteten.
Die Serpentinen nach Avelsbach hoch duldeten kaum Gegenverkehr. Auch das ignorierte Marie. Mit markerschütternden Grüßen an das Getriebe schaltete sie den gut fünfundzwanzig Jahre alten Alfa Romeo Spider vor den Kurven vom vierten in den zweiten Gang runter, schoss an den ersten Häusern der Baltzstraße vorbei, bevor das italienische Cabrio abrupt von den Qualen der zurückliegenden dreiundfünfzig Minuten erlöst wurde. Die Polizei hatte die Zufahrt zu ihrem Haus abgesperrt.
Marie ließ den Alfa mitten auf der Straße stehen. Ein junger Schutzpolizist löste sich selbstgefällig von seinem Partner, der unter dem alten Apfelbaum stehen blieb. Das Sichern des Tatorts war augenscheinlich der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere.
»Halt, Sie können das Auto … Moment, Sie können nicht … Hallo, es ist verboten … Au, verflucht!« Der Polizist hatte keine Chance, Marie am Betreten ihres Grundstücks zu hindern. Sie hatte ihm ohne Vorwarnung und mit unerwarteter Wucht die Tür des niedrigen Staketenzauns vor die Knie getreten.
Im Vorübereilen warf sie dem anderen verdutzten Ordnungshüter die Autoschlüssel zu. »Parken Sie die Karre, wo sie nicht stört. Aber bringen Sie mir die Schlüssel zurück, das Auto ist geliehen.«
Bevor die Polizisten sie greifen konnten, hatte sie schon die Hälfte des knapp zwanzig Meter langen Weges zum Haus hinter sich, und ihr Vorsprung reichte gerade bis zur offenen Haustür.
Dort war Schluss. Eingekeilt zwischen den zwei puterroten Jungpolizisten in ihrem Rücken und einem breitschultrigen Mann in der Eingangstür holte Marie tief Luft.
»Dürfte ich bitte mein Haus betreten?«
Der Mann im Eingang musterte sie knapp, aber anerkennend. »Frau Steyn, wir haben Sie erst in einer Viertelstunde erwartet«, antwortete er dennoch etwas mürrisch. Sein Blick wanderte an Marie und seinen Kollegen vorbei den Weg entlang zum Alfa, und seine Augen begannen schlagartig zu glänzen. »Oh, ein Spider Veloce 2000, so um die fünfundzwanzig Jahre alt, schätze ich. Sind Sie mit dem so schnell gekommen? Gratuliere.«
Marie starrte den Polizisten ungläubig an. Hatte sie ihr und das Leben anderer auf der halsbrecherischen Fahrt hierher riskiert, um sich nun Vorträge über Schrottkarren anzuhören? Sie holte noch einmal tief Luft und öffnete den Mund. Doch bevor sie ihrem Groll Luft machen konnte, tauchte von hinten ein großer, schlanker Mann mit
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