Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
Gartenstraße hinunter.
» Zusammen mit deinem Freund?«
» Nee, der ist seit gestern Abend Geschichte. So ein Arschloch.« Lissi blieb stehen.
» Was ist denn passiert?«
» Der hat mir doch tatsächlich verboten, mit Claudia wegzugehen. Dabei wollten wir nur ins Kino. Er hat einen Riesenaufstand gemacht. Der Typ kriegt seine Eifersucht einfach nicht in den Griff.«
» Und du bist natürlich trotzdem gegangen.«
» Ja, klar, was denkst du denn? Als ich aus dem Kino kam, hatte ich 25 SMS. Die waren dramaturgisch so gut aufbereitet, die muss ich dir mal in Ruhe zeigen.« Lissi lachte laut los.
» Die zeigst du mir dann nächste Woche. Du kommst dann bestimmt schon Donnerstag, weil, nächsten Freitag ist ja dein Geburtstag.«
» Ja, wenn ich darf?«
» Sehr gern, ich freue mich auf dich.« Lissi beendete das Gespräch und wollte weitergehen, als ein groß gewachsener Mann, etwa in ihrem Alter, ebenfalls mit Lederjacke unterwegs, sie leicht am Arm hielt. In seiner anderen Hand hielt er einen Motorradhelm. Lisbeth konnte es gar nicht gut leiden, wenn fremde Männer sie ungefragt anfassten, auch wenn es nur sanft war.
» Hey, du kommst mir so bekannt vor, du siehst aus wie meine neue Freundin.« Lisbeth schaute sich den Motorradfahrer von oben bis unten an, holte tief Luft und sagte schließlich:
» Wenn ich mal ganz viel Zeit habe, verrate ich dir, was ich mir unter Originalität vorstelle. Ich bin heute leider sehr in Eile.« Unfassbar, diese Dreistigkeit, oder wollte er gar nicht, dass er mit einem so dämlichen Spruch bei ihr landete? Vorsichtshalber tippte sie das Nummernschild seiner Kawasaki in ihr Smartphone.
Aber selbst als der Biker abgerauscht war, fühlte sie sich immer noch seltsam beobachtet. Ihr Blick fiel auf die Villa vom ‚Club Leonardos‘. Täuschte sie sich oder war das gerade eine Bewegung hinter der Gardine gewesen?
***
Paul hatte sich selten so unwohl gefühlt wie auf dem Weg zum Büro von Richter Tjarks. Trotz intensiver Recherche von Arne Claaßen konnten keine weiteren Hinweise im Internet gefunden werden, die belegten, dass der Richter eines der beiden Opfer kannte oder unter dem Pseudonym ‚MrJudge‘ mit ihnen kommuniziert hatte. Sollte Richter Tjarks tatsächlich hinter ‚‘MrJudge‘ stecken, so hätte er sehr überlegt im Internet agiert. Arne hatte Paul erklärt, dass die IP von ‚MrJudge‘ höchstwahrscheinlich mit einem System namens 'Tor' verschlüsselt worden war. Dabei nutzte der IP-Inhaber verschiedene unverdächtige Server, bevor er auf die Zieladresse zugriff, was seine Herkunft verschleierte. Dazu musste man noch nicht einmal ein ausgewiesener IT-Experte sein. Das Programm ließ sich bequem aus dem Internet herunterladen und man surfte fortan anonym. Bedauerlicherweise nutzten auch Kinderschänder und Betrüger jeglicher Art dieses System.
In seinem Jagdfieber hatte Arne ihn gefragt, ob er - ganz inoffiziell - versuchen sollte, sich in das E-Mail-Konto von Gunnar Tjarks zu hacken. Paul hatte ihm das verboten. Als Beweis würden belastende E-Mails nicht vor Gericht verwertet werden können, wenn diese auf illegale Art und Weise beschafft worden waren. Eventuell hätten sie mit den zusätzlichen Informationen neue Ermittlungsansätze gehabt, aber wenn publik würde, wie sie an die Informationen gelangt waren, wäre er seinen Job los. Mit der U-Haft von Kai Rentz und der momentanen Verdächtigung eines Richters bewegten sie sich eh schon auf ganz dünnem Eis. Einen einzigen Trumpf hatten sie noch im Ärmel. Damit wollten sie den Richter konfrontieren, um ihn aus der Reserve zu locken. Unter Druck gaben viele Menschen Dinge preis, die sie eigentlich gar nicht erzählen wollten.
Paul schaute Lisbeth in die Augen , kurz bevor er an die Tür des Amtszimmers von Richter Tjarks klopfte. Sie wirkte so, wie er sich fühlte: unsicher. Dennoch nickte er ihr zu, eine Art unausgesprochene Frage: 'Bist du bereit, in die Höhle des Löwen zu gehen?' Lisbeth bestätigte dies ihrerseits mit einem Nicken.
Eine junge blonde Sekretärin bat sie um einen Augenblick Geduld, der Richter hätte gleich für sie Zeit. Es dauerte wirklich nur wenige Minuten, da öffnete Gunnar Tjarks die Tür und begrüßte die beiden Ermittler mit Handschlag. Gunnar Tjarks war untersetzt und gut genährt, strahlte aber durch sein schwarzes Haar, das über den Ohren schon grau geworden war, und seine sonore Stimme eine gehörige Autorität aus.
» Frau Eicken und Herr Schweigert, ich bin
Weitere Kostenlose Bücher