Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
überrascht, Sie hier zu sehen. Aber bitte, kommen Sie doch herein. Gibt es Neuigkeiten, die den Kollegen Rentz be- oder entlasten könnten?« Nachdem sie Platz genommen hatten, musterte Paul den Richter. Dieser wirkte völlig unbeschwert und gut gelaunt.
» Nein, selbstverständlich ermitteln wir gründlich weiter. Wir haben lediglich ein paar Routinefragen an Sie.« Paul nahm das Blitzer-Foto aus seiner mitgebrachten Mappe und legte es ihm auf den Schreibtisch.
» Sind Sie das, Herr Richter?« Gunnar Tjarks schmunzelte.
» Ja, ganz recht. Satte 90 Euro hat mich dieses wenig gelungene Foto gekostet, die ich bereits ordnungsgemäß überwiesen habe. Sie sehen, selbst ein Richter ist nicht ohne Fehler. Aber warum kommen Sie damit zu mir? Leisten Sie jetzt schon Amtshilfe für die Kollegen von der Schutzpolizei, das nenne ich mal innovativ.« Er lachte danach über seinen eigenen Witz, den Paul wenig gelungen fand.
» Können Sie uns sagen, warum Sie so in Eile waren?«
» Ich verstehe nicht ganz, warum das wichtig ist, wenn ich privat unterwegs bin und zu schnell fahre?«
» Es würde uns weiterhelfen, wenn wir den Grund erfahren könnten, Herr Tjarks. Dieses Foto wurde auf der Oldenburger Straße geschossen, unweit des Schlossparks, genau in der Nacht, in der der Leichnam von Annika Eilers dort abgelegt worden ist.« Im Gesicht des Richters konnte Paul zunächst Verwunderung ablesen, die schließlich in heiseres Lachen mündete.
» Ah, ich verstehe, und jetzt verdächtigen Sie mich?«
« Annika Eilers kommunizierte im Internet mit einem ‚MrJudge‘.« Jetzt lachte der Richter noch lauter als zuvor und kriegte sich gar nicht mehr ein.
» Tut mir leid, eigentlich ist der Anlass ja viel zu traurig. Ich sollte nicht lachen. ‚Judge‘ heißt ‚Richter‘, schon klar, und wenn der fremde Mensch sich ‚Good-Cop‘ genannt hätte, dann würden wir jetzt wen verdächtigen? Unsere gute Frau Eicken? Oder bei ‚Bad Cop‘ Sie, Herr Schweigert? Sie wissen selbst, dass Sie gegen Oberstaatsanwalt Rentz zu wenig ermittelt haben, und da Sie nicht weiterkommen, ist es dann einfach der nächste Jurist gewesen. Arbeiten Sie so dilettantisch, Herr Schweigert? Machen Sie sich nicht lächerlich.«
Paul stand auf und steckte das Foto wieder ein.
» Da gibt es noch etwas. Am Tag, als wir das Seil im Koffer von Kai Rentz sichergestellt haben, hatte er einen Termin bei Gericht, in Ihrem Gerichtssaal. Während der Sitzung kam es zu einer Verhandlungspause, Kai Rentz ließ seinen Koffer unbeaufsichtigt zurück, weil er austreten musste. Nach seinen Angaben waren Sie währenddessen ganz alleine in dem Raum…«
» Raus!«, er sprang auf und zeigte mit ausgestrecktem Arm zur Tür, »verlassen Sie sofort mein Büro. Tun Sie mir bitte einen Gefallen und erledigen Sie ihren Job, und zwar professionell und nicht so laienhaft. Stichhaltige Beweise in der Sache wären zur Abwechslung ja mal ganz hilfreich.«
***
Erstaunlich still war es, fand Paul, als er die Eingangstür aufgeschlossen hatte. Um 19.40 Uhr hatte er in seinem Dienstzimmer das Licht gelöscht und als letzter aus dem Kommissariat endlich Feierabend gemacht. Bei der gründlichen Durchsicht sämtlicher Vernehmungsprotokolle seit dem ersten Mord an Elena Wagner störte ihn etwas. Etwas, das er nicht genau benennen konnte, etwas, das nicht ganz stimmig war. Er hatte sich nicht mehr konzentrieren können und beschlossen, morgen mit Lissi darüber zu sprechen.
Tom und Levke schienen schon zu schlafen. Anstatt ihn wie gewohnt an der Tür zu begrüßen , saß Wiebke auf der Couch und surfte mit dem Tablet im Internet. Sie schaute nicht einmal zu ihm auf.
» Hallo, Schatz, sorry, dass es so spät geworden ist, aber…«
» Ich habe die Kinder schon ins Bett gebracht. Falls es dich noch interessiert, es geht beiden gut. Tom scheint sich sogar noch an dich zu erinnern, er fragte nämlich nach dir.« Paul hasste diese indirekten Sticheleien, auch wenn Wiebke natürlich recht hatte, er sah seine Kinder viel zu selten, seine Frau auch.
» Ich wollte heute echt früher zu Hause sein. Kai Rentz wurde aus der Untersuchungshaft entlassen, hat mich sofort aufgesucht und einen Riesenvortrag über unseren Rechtsstaat und meine Unfähigkeit gehalten. Gegen den nächsten Verdächtigen haben wir zu wenig in der Hand, um ihn festnageln zu können, und mein Chef verliert langsam die Geduld.« Paul wusste, dass sie jedes Wort verstanden hatte, sie blickte aber weiterhin auf ihr
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