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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Yorke.«
    »Ah…«
    Der andere wartete offensichtlich auf irgendeine Erklärung. Als nichts dergleichen kam, meinte er: »Wenn Sie mich haben reinkommen sehen, dann haben Sie auch gesehen, daß ich den Schlüssel benutzt habe. Sie können nicht angenommen haben, daß ich einbrechen wollte. Und überhaupt – entschuldigen Sie meine Frage –, wieso sind Sie hier? Ich meine, ist was passiert? Ich bin gerade aus Venedig angekommen, daher…«
    »Ach so, ja. Entschuldigen Sie. Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen. Es hat… ähm… einen Unfall gegeben. Buongianni Corsi ist zwischen Samstag und Sonntag in dem Zimmer nebenan gestorben. Möglicherweise beim Reinigen eines Gewehrs. Wie auch immer, ich muß herausfinden, ob sein Tod ein Unglücksfall war, und deshalb habe ich mich unter den Mietern ein wenig umgehört. Man hat mir gesagt, daß dieses Atelier leersteht…«
    »Verstehe. Das ist ja'n Ding. Ein sympathischer Mann übrigens, und ich weiß, daß Catherine ihn sehr gemocht hat.«
    »Sie kannte ihn gut?«
    »Ziemlich gut, glaub ich. Sie hat irgendeine Arbeit für die Familie gemacht. Verschiedene Dokumente und Sachen restauriert, die bei der Hochwasserkatastrophe beschädigt worden waren – meine Güte, soll das heißen, Sie haben eine verdächtige Person in mir vermutet, als Sie mich hier reingehen sahen?«
    »Nein, nein… ich…«
    Dann erinnerte er sich an die laute, wütende Stimme. »Sie haben mit jemandem gesprochen, als ich klingelte.«
    »Gesprochen? Aber hier ist niemand… Oh, oh! Setzen Sie sich bitte… entschuldigen Sie, ich sehe, Sie sind ein Carabiniere, aber von den Dienstgraden habe ich keinen Schimmer…«
    »Wachtmeister Guarnaccia. Ist schon gut, ich…«
    »Nein, bitte. Setzen Sie sich bitte, Herr Wachtmeister. Sie müssen mir erlauben, diesen furchtbaren Eindruck zu korrigieren, den ich auf Sie gemacht habe – in eine Wohnung hineinzuspazieren, die nicht mir gehört, und eine Diskussion mit der Luft anzufangen – einen Mord anzukündigen, stimmt's?«
    »Ich weiß nicht, ob…«
    »Doch, doch. Hören Sie!«
    Er stellte das Weinglas auf den Tisch, hob die rechte Hand und deklamierte:
    »Doch will ich nicht ihr Blut vergießen, Noch ihre Haut, weißer als Schnee, ihr ritzen, Die glatt ist wie ein Alabasterbild.
    Doch sterben muß sie, sonst betrügt sie andre.
    Lösch aus das Licht, und dann lösch aus das Licht!«
    Der Wachtmeister, der inzwischen auf dem einzigen Sessel saß, starrte mit großen Augen den jungen Mann an, der nun den Arm sinken ließ und lachte.
    »Othello! Sie müssen doch Othello kennen!«
    »Ach so. Die Oper von Verdi…«
    »Na, wie Sie wollen. Es gibt nämlich auch eine englische Version. Jedenfalls treten wir nächste Woche hier auf. Ich gehöre zu einer englischen Schauspieltruppe in Venedig. Meistens spielen wir für diejenigen, die am liceo oder an der Universität englische Literatur studieren, und deshalb wählen wir die Stücke aus, von denen wir wissen, daß sie durchgenommen werden. Ich habe geprobt, das ist alles.«
    »Und Sie haben die Schlüssel Ihrer Schwester?«
    »Ah! Sie lassen sich nicht ablenken, was? Ja, ich habe den Schlüssel meiner Schwester. Den habe ich immer, und wenn wir in Florenz spielen, schlafe ich hier.«
    Er bemerkte, wie der Blick des Wachtmeisters zu dem schmalen Bett wanderte. »Darunter ist noch ein zweites, man kann es hervorziehen.«
    Er schwenkte sein Glas. »Kann ich Ihnen was anbieten? Hier ist nur Wasser drin, aber irgendwo gibt es hier sicher auch Wein.«
    »Nein, danke. Sie haben kein Gepäck mitgebracht?«
    Der junge Mann lachte. Obwohl er ein narbiges Gesicht hatte und von schmächtiger Statur war, gaben ihm seine tiefgrauen, funkelnden Augen und seine Fröhlichkeit etwas Gewinnendes.
    »Ihnen entgeht aber auch wirklich nichts!«
    »Sie hatten gesagt, daß Sie gerade erst angekommen sind…« Dem Wachtmeister war es etwas peinlich. Ihm gefiel der junge Mann, und er fand ihn keineswegs verdächtig. Es war bloß eine uralte Gewohnheit – genau hinzugucken. Der junge Mann war aber überhaupt nicht beleidigt.
    »Ich bin ohne Gepäck aus Venedig gekommen«, sagte er. »Ich habe, wie immer, den Zug genommen. Ein paar Leute aus der Truppe fahren in einem Transporter und nehmen das ganze Gepäck, die Requisiten und Kostüme mit. Ich werde in etwa einer Stunde ins Theater gehen und dort meine Sachen abholen. Ein frisches Hemd und ein paar Socken habe ich sowieso hier. Ich besuche meine Schwester gern für ein, zwei Tage,

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