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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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abgereist?«
    »Mmh. Den Tag weiß ich nicht genau, vielleicht Donnerstag oder Freitag. Sie wollte einen Kurs oder ein Seminar über Restaurierung besuchen.«
    »Na dann, vielen Dank für Ihre Zeit. Ich muß weiter.«
    Der Maler stand auf, um ihn zur Tür zu begleiten. Der Wachtmeister folgte ihm, den Blick fest auf seinen Rücken geheftet.
    »Vielen Dank nochmal.«
    »War mir ein Vergnügen.«
    Fido streckte seine lange, dünne Hand aus. »Und nehmen Sie meine Bemerkungen über England nicht so ernst. Wenn Sie dort Ferien machen, werden Sie es ganz toll finden. Die Parks werden Ihnen gefallen, in den italienischen Städten gibt es so wenig Grün, und Ihrer Frau werden die Geschäfte gefallen.«
    Also, er war nett, wirklich sehr nett, und außerdem war er ein Künstler, da mußte man nachsichtig sein. Er hatte ein paar komische Dinge gesagt, besonders über die Engländer – aber schließlich war er selbst ein Engländer, und die waren ja durch die Bank ein bißchen komisch.
    Der Wachtmeister stapfte das große, kühle Treppenhaus hinunter, traurig vor sich hin keuchend, als würde er hoch- und nicht hinuntersteigen. In seinem Magen machte sich ein irritierendes Gefühl bemerkbar, eine Mischung aus Erregung und Bestürzung. Möglicherweise wirkte da noch immer Fidos Gemälde nach, das sich ihm sehr stark eingeprägt hatte. Dennoch konnte es nicht nur daran liegen, denn er verspürte noch etwas anderes, etwas wie Angst. Angst wovor?
    Schließlich erreichte er den Treppenabsatz, wo das gigantische Familienwappen hing. Er blieb stehen und guckte hoch. Orange, rot, gold und grün. Warme Farben wie die im Atelier des Künstlers. Auf diesen hier lag eine Schicht von Alter und Staub, doch sie waren trotzdem eindrucksvoll, und der bedrohliche Eindruck des etwas nach vorn geneigten Wappenschilds, das im Begriff zu sein schien, hinunterzufallen und ihn zu erschlagen, war so stark wie an dem Tag, als er überrascht davorgestanden hatte. War das der Grund für seine Angst? Die Ulderighi konnten ihn und seine Familie zweifellos mit einem einzigen Schlag vernichten, so wie man vielleicht eine Fliege totschlägt, über die man sich geärgert hat. Aber er bemühte sich doch nach Kräften, niemanden zu verärgern. Pro forma ermitteln, nichts herausfinden. Da sich das Gegenteil nicht beweisen ließ, mußte zwangsläufig von einem Unfall ausgegangen werden. Und wieso auch nicht. Warum ärgerte er sich darüber? Warum rebellierte er? Selbst wenn der arme Mann sich tatsächlich erschossen hat, wozu sollte ein Skandal taugen? Was war so schlimm daran, die Geschichte zu vertuschen, wenn man das, was sie taten, überhaupt als Vertuschen bezeichnen konnte? Seine Gefühle waren ein einziges Durcheinander.
    Er stand da, breitbeinig, die Uniformmütze mit seinen großen Händen herumdrehend, und starrte, noch immer kurzatmig und bedrückt, zum Wappenschild hoch.
    »An der Sache ist irgend etwas faul«, murmelte er zu sich selbst, »…oberfaul.«
    Neben ihm erklang plötzlich Gelächter. Er drehte sich um und sah gerade noch zwei kleine Mädchen an ihm vorbeistürmen, die Treppe hinauf, um die Ecke, wo sie ihrem unterdrückten Kichern freien Lauf ließen und bei dem Gedanken an den dicken uniformierten Mann, der zur Wand gesprochen hatte, in ein fröhliches Lachen ausbrachen.
    4
    »Wachtmeister Guarnaccia von den Carabinieri!«
    Er sprach noch lauter, aber das alte Kindermädchen spähte mit schmalen, listigen Augen durch die Türspalte.
    »Sie können nicht rein.«
    Sie war fast kahlköpfig, und die paar weißen Haare, die ihr noch geblieben waren, hatte sie nach hinten gelegt und mit unzählig vielen dicken, schwarzen Nadeln festgesteckt. Die Unterlippe hing herab, und aus dem Mundwinkel rann ein dünner Speichelfluß.
    »Schon gut«, brüllte er. »Ich muß kurz mit Ihnen sprechen. Es dauert nicht lange.«
    »Das ist der Palazzo Ulderighi!« rief sie ihm entgegen. »Was machen Sie hier? Ich kenne Sie nicht! Verschwinden Sie!«
    Was sollte er tun? Den Fuß in die Tür stellen, wie ein Vertreter? Er unternahm einen neuen Versuch.
    »Die Marchesa schickt mich. Sie möchte, daß ich mit Ihnen rede.«
    »Die Marchesa wohnt hier bei mir. Das ist der Palazzo Ulderighi. Ich kenne Sie nicht. Ich weiß nicht, wer Sie sind.«
    Wieder brüllte er seinen Namen und guckte dabei über ihren Kopf hinweg in das kleine Zimmer. Die eine Wand war eine einzige Ansammlung von roten Andachtskerzen, die kleine Bilder beleuchteten. Diese Frau war nicht nur steinalt

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