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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Zwecke sammle, kann ich für Sie sammeln. Ich denke oft, ich hätte auch Polizist werden können. Was meinen Sie?«
    »Bei Ihrer Intelligenz wären Sie bestimmt ein großer Detektiv geworden.«
    »Ein zweiter Sherlock Holmes? Sehen Sie so Ihre Tätigkeit?«
    »Ich? Du meine Güte, nein. In meinem Job habe ich es nur mit Routineangelegenheiten zu tun. Bei uns im Revier gibt es selten etwas Aufregenderes als Handtaschendiebstahl, und das ist auch ganz gut so, denn ich bin nicht so intelligent wie Sie.«
    »Aber Sie haben ein scharfes Auge.«
    »Was?«
    »Sie haben ein scharfes Auge. Mein nicht vorhandenes Gepäck, das unsichtbare zweite Bett, solche Sachen.«
    Wieder diese Angst, die in ihm hochkam. Er hatte sie in den tiefsten Winkel verbannt, aber ihm war aufgefallen – wie konnte er es übersehen –, daß Corsis Gesicht seitlich einen dunklen Fleck aufwies und daß er auf dem Rücken lag, und alle versicherten ihm, daß niemand ihn angefaßt hatte.
    »Hoffentlich habe ich Sie nicht beleidigt. Ihnen sind diese Dinge aber aufgefallen. Es spricht doch schließlich für Sie.«
    »Ich gehe jetzt lieber.«
    Er hatte kaum gehört, was der junge Mann gesagt hatte. »Ich muß wirklich los… ich komme wieder – wann werde ich Ihre Schwester sprechen können?«
    »Sonntag. Sie ist Sonntag nachmittag wieder da – ich hoffe, rechtzeitig zur Aufführung. Sonntag ist unsere letzte Vorstellung. Ich werde ihr sagen, daß Sie hier waren, und – wie gesagt – ich werde mit den Leuten plaudern. Man kann nie wissen, vielleicht höre ich etwas Nützliches.«
    Als der Wachtmeister die Tür öffnete, sah er draußen im Säulengang eine kleine schwarze Gestalt, die auf den Lift zuging und davor wartete. Die Aufzugtür ging sofort auf. Der Mann trat hinein und drehte sich um. Da sah der Wachtmeister den steifen Kragen und auch, daß er eine kleine schwarze Aktentasche dabei hatte. Die Tür ging wieder zu, aber der Wachtmeister hatte gesehen, wer im Aufzug heruntergekommen war – die Marchesa Ulderighi. Ihr Gesicht war völlig weiß. Sie tat, als hätte sie den Wachtmeister nicht bemerkt.
    Unter der strahlenden Junisonne herrschte ein großes Menschengewimmel auf dem Domplatz. So war es immer, und der Verkehr dort machte die Sache nicht besser. Heute fand dort aber außerdem eine Demonstration statt, so daß Autos und Busse nicht vorankamen und sinnlos ihre Abgase in die Luft bliesen. Wie in solchen Fällen üblich, hatte der Wachtmeister zwei seiner Leute »ausgeliehen«, aber wozu das gut sein sollte, war ihm nicht klar. Die beiden hatten sich vor einer halben Sunde gemeldet und gesagt, daß zwar keine Gefahr bestehe, es aber völlig unmöglich sei, den Verkehrsfluß wieder in Gang zu kriegen, und daß man wohl nur warten könne, bis sich der Demonstrationszug aufgelöst habe. Der Wachtmeister, der zum Palazzo Ulderighi unterwegs war, hatte sogar auf das Mittagessen verzichtet, um bei seinen Jungs vorbeizuschauen, doch zumindest im Moment kam auch er keinen Schritt weiter. Eingekeilt stand er in der Menge zwischen Dom und Glockenturm, und selbst als er versuchte, seine tränenden Augen abzuwischen, wurde er gepufft und gestoßen. Eingedenk der Klaustrophobie, die ihn im Palazzo Ulderighi überkam, hatte er sich schon gefreut, seinen neuerlichen Besuch dort aufschieben zu können, aber das Gedränge um ihn, die Hitze und der Gestank der Autoabgase hatten so ziemlich denselben Effekt.
    Schließlich gelang es ihm, sich zu seinen Jungs auf die andere Seite des Platzes durchzukämpfen, aber den Rückweg hatte er noch vor sich. Er trocknete sich die Augen und wischte sich über die Stirn. Seine Uniformmütze saß zu eng. Eine Stimme wandte sich über Megaphon an die Menge, und über die Köpfe der Leute wurden Flugblätter weitergereicht; die Touristen, die sie nicht lesen konnten, nahmen sie und ließen sie zu Boden fallen. Der Wachtmeister fing eines auf, faltete es zusammen und steckte es ungelesen in seine Tasche. Durch seine Sonnenbrille konnte er nicht gut lesen, aber er wollte sie nicht absetzen, und außerdem hatte er die Petition, von der eine Kopie in seinem Büro gelandet war, schon unterschrieben.
    »Die Cliquen im Palazzo Vecchio kämpfen um die Macht, um politische Macht. Die Verwaltung von Florenz ist jedoch keine Frage von politischer Macht. Florenz verwalten heißt ein Erbe zu verwalten. Ein unschätzbares Erbe, das nicht allein den Florentinern gehört, sondern der gesamten zivilisierten Welt…«
    Eine Halbstarkenbande

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