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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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fremd war und er verrückte Dinge sagte, die ihm absolut nicht verständlich waren. Und trotz seiner Jugend ging etwas Erwachsenes von ihm aus, ein gespielter Ernst, der, in Verbindung mit dem Regenschirm, den Wachtmeister an Charlie Chaplin erinnerte.
    »In dem Fall«, sagte William Yorke mit feierlicher Miene, »werden wir diesen wunderschönen Ort verlassen und hoffen, daß alle Anstrengungen, einschließlich meines heldenhaften Einsatzes für diese großartige Nahrung, die Barbaren davon abhalten werden, ihr Hamburgerlokal im Dombezirk zu eröffnen. Wir sollten hier nicht über die Ulderighi reden. Folgen Sie mir!«
    Er hob seinen Regenschirm in die Höhe und ließ ihn aufschnappen. Der Wachtmeister, über dessen Gesicht der Anflug eines Lächelns huschte, folgte ihm.
    Für den Wachtmeister war es eine Erleichterung, nicht an der Tür klingeln und das mürrische Gesicht des Portiers sehen zu müssen, der ihn immer wie einen unwillkommenen Gast behandelte und nicht wie einen offiziellen Besucher. William schloß auf. Sie traten ein. Die Klaviermusik, die von der Ballettschule her kam, wurde fast völlig überdeckt von Emilio, der ein lautes und, wie der Wachtmeister fand, modernes Stück übte.
    »Ich mag schöne Musik«, sagte William, während er das Atelier aufschloß. Er sagte das aber, trotz seines ernsten Gesichts, mit so merkwürdiger Stimme, daß der Wachtmeister, der ihm schon zustimmen wollte, zögerte und schwieg.
    »Tee!« verkündete William, während er den Schirm weglegte und seine Jacke in die Ecke warf. »Das kommt zuerst. Ziehen Sie doch auch Ihre Jacke aus!«
    »Darf ich nicht, wenn ich im Dienst bin.« Er hätte es gern getan.
    »Na, setzen Sie sich wenigstens hin.«
    William nahm einen Elektrokocher, der auf einer Ecke des Arbeitstisches stand, und setzte Wasser auf. »Meine Kehle ist vom Proben ganz ausgedörrt, und in ein paar Stunden fängt die Matinee an – Sie trinken keinen Tee, stimmt's? Ich weiß, daß Florentiner Tee trinken, aber Sie sind ja nicht von hier. Sizilien, wenn ich mich richtig erinnere? Ich habe es an Ihrem Dialekt gehört.«
    »Das ist sehr clever von Ihnen, ich meine…«
    »Sie meinen, wo ich doch ein Ausländer bin. Aber Sprache, Dialekte – als Schauspieler ist das mein täglich Brot. Haben Sie sich entschieden mit dem Tee?«
    Er hielt den Löffel über die Teekanne, wartete auf Antwort. Der Wachtmeister sagte, mehr aus Freundlichkeit, daß er gerne eine Tasse trinken wolle.
    »Sehr schlau. Hier gibt es sowieso nur Nescafé, und der würde Ihnen bestimmt nicht schmecken. Wir haben keine vornehmen Tassen, nur Becher. Sehr englisch. Es ist aber guter Tee, keine Teebeutel. Ich habe gestern abend einen Schuß abgefeuert.«
    »Sie… haben… was?«
    Die ohnehin hervortretenden Augen des Wachtmeisters fielen ihm jetzt fast aus dem Kopf. Verdutzt guckte er sich im Atelier nach einer Waffe um.
    William lachte ihn an. »Im übertragenen Sinn! Keine Sorge, es war keine Waffe, nur ein Böller. Ein ganz kleiner. Aber wenn Sie den Krach gehört hätten! Tja, ich war hier drin, aber der Lärm draußen im Hof war so groß, daß alle aufgewacht und zum Fenster gelaufen sind und gefragt haben, was los ist.«
    »Und was haben Sie denen erklärt?«
    »Ich? Ich habe mich dumm gestellt. Also, aufgeweckt habe ich: den Portier und seine Frau, Grillo, aber nicht die tata, die wirklich taub wie ein Stein ist. Ich habe Hugh Fido aufgeweckt, aber nicht La Martelli, Emilio Emiliani und alle Ulderighi mit Ausnahme von Tantchen.«
    »Tantchen?«
    »Fiorenza Ulderighi, die Tante von Bianca Ulderighi.«
    »Um wieviel Uhr war das?«
    »Mitten in der Nacht – so gegen zwei, schätze ich. Da wir nach der Vorstellung noch essen gehen, komme ich sehr spät heim. Ich hielt es für eine prima Idee, aber es schien mir aus zweierlei Gründen sinnvoll, Ihnen sofort davon zu erzählen. Erstens, jemand wird Ihnen davon berichten – zumindest vermute ich das –, und dann müssen Sie sich damit abgeben, und das wäre eine Vergeudung Ihrer Zeit. Zweitens glaube ich, daß ich nicht bloß einen Feuerwerkskracher abgeschossen habe.«
    Dieses Mal sah der Engländer todernst aus. Der Wachtmeister beobachtete ihn. Erst nach einer Weile fuhr er fort, und auch dann nur zögernd, was, nach allem, was der Wachtmeister von ihm erlebt hatte, nicht recht zu ihm paßte.
    »Ich habe gesagt, daß ich alle Ulderighi aufgeweckt habe mit Ausnahme der Tante. Also auch Neri. Als ich den Kopf herausstreckte und so tat, als

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