Tod im Palazzo
donnerte auf ihren Mopeds vorbei, so daß die Stimme für einen Moment nicht zu hören war.
»Das werden sie nie schaffen«, rief einer der Leute in der Nähe des Wachtmeisters.
»Die anderen beim Ponte Vecchio haben es geschafft.«
»Ja, aber nicht auf dem Ponte Vecchio, Mann…«
Vielleicht würden sie es schaffen, aber der Wachtmeister hoffte es nicht. Ein Hamburgerlokal im Umkreis des Doms – das ging zu weit, und er war sofort bereit gewesen, dagegen zu protestieren, genau wie gegen den Straßenverkehr, auch wenn er ebenso wenig wie die anderen sagen konnte, wo die Autos entlangfahren sollten, wenn nicht um den Dom. Er versuchte sich zu erinnern, wann er zum letztenmal im Dom gewesen war. Hatte er Teresa und die Jungs gleich nach dem Umzug aus Sizilien dorthin geführt? Er war nicht sicher. Sie waren auf den Glockenturm gestiegen, daran erinnerte er sich. Die Jungs hatten darum gebettelt. Und sie hatten die Tür mit der Darstellung des Paradieses betrachtet, ein Feld wurde gerade restauriert, es hatte besonders unter den Autoabgasen gelitten. Eine üble Sache.
Und nun also Hamburger. Abgase vermischt mit den Fettschwaden von gebratenem Fleisch und Zwiebeln. In der geschützten Ecke dort drüben hatte es immer eine Trattoria gegeben. Er hatte noch nie dort gegessen, erinnerte sich aber an drei, vier Tische unter einer schattigen Pergola, auf denen blütenweiße Tischtücher lagen. Wahrscheinlich war der Vertrag abgelaufen, und mit der weltberühmten Hamburgerkette konnte man nicht konkurrieren. Trotzdem wehrten sie sich. Eines mußte man den Florentinern zugute halten: solche Sachen nahmen sie nicht kampflos hin. Widerwillig trat er aus dem Schatten. Er sollte hier nicht länger herumhängen. Er mußte weiter. Es gab genügend Polizisten und Carabinieri hier, die mit diesem Chaos schon fertig würden. Außerdem, seine Jungs hatten recht, es bestand keine Gefahr, und die Sache würde bald vorbei sein.
Während er sich vorwärtsschob, zog zusammen mit dem Autogestank ein angenehmer Geruch in seine Nase, würzig, aromatisch. Schade, dachte er, daß ich im Dienst bin, sonst… Die verlockenden Düfte wurden immer stärker. Er konnte den langen Stand nicht sehen, an dem die Demonstranten verpflegt wurden, ahnte aber, was darauf stand. Er konnte das geröstete Brot mit Knoblauch, Öl und Salz riechen, die knusprige, dünne Pizza mit Rosmarin obendrauf – und das war bestimmt toskanische Wurst? Na ja, es ließ sich nicht ändern, er war im Dienst, weshalb also daran denken. Immerhin drängten die Leute zu dem Stand, so daß er schneller vorankam. Plötzlich hörte er jemanden »Herr Wachtmeister!« rufen.
Er blieb stehen. Vielleicht war gar nicht er gemeint. Auf dem Platz wimmelte es von Uniformierten.
»Herr Wachtmeister!«
Die Stimme kam ihm aber bekannt vor.
»Hier!«
Irgendwie ausländisch. Das war's. Yorke, der junge Engländer. Ein Regenschirm wurde über der Menge geschwenkt. Der Wachtmeister blieb wie ein Fels in der Brandung stehen und ließ die Leute an sich vorbeiziehen. Der Regenschirm verschwand, tauchte wieder auf, dann erschien sein Besitzer. »Ah!«
Er ließ den Regenschirm sinken. In der anderen Hand trug er auf einer Papierserviette, vorsichtig wie einen ausgeschlüpften Vogel, eine heiße Minipizza. Ein rascher Biß, und sie war verschwunden.
»Entschuldigen Sie.«
Er deutete mit dem Regenschirm auf den Stand. »Aber es ist für eine gute Sache.«
Und zum Erstaunen des Wachtmeister faltete er die kleine Papierserviette wie ein Seidentuch, steckte sie in die Brusttasche seines blauen Leinenjackets und zupfte die herausguckenden Ecken neckisch zurecht.
»Abfall wird nicht weggeworfen«, sagte er, und dann: »Ich habe Sie von weitem gesehen. Na ja, Sie sind eben nicht zu übersehen. Sie haben mich natürlich nicht gesehen.«
»Nein, nein, ich…«
»Ein Regenschirm ist ein nützlicher Gegenstand. Schauen Sie!« Er zeigte auf einen großen roten Regenschirm, den ein Reiseführer hochhielt, hinter ihm eine Schar ermatteter Touristen, deren verbrannte Arme die Farbe des Regenschirms angenommen hatten. »Sehr nützlich – eigentlich schade, daß ich nicht zur Garde gegangen bin. Zu klein, wissen Sie, obwohl ganz hübsch gemacht.
Ich muß Ihnen ein paar Dinge erzählen. In welche Richtung gehen Sie?«
»Ich? Ähm… zum Palazzo Ulderighi…«
Fast hätte er »leider« hinzugefügt. Er fühlte sich wohl in der Gesellschaft dieses jungen Mannes, auch wenn ihm seine schnelle Sprechweise
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