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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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wüßte ich nicht, woher der Krach kam, habe ich mich richtig umgeschaut. Die meisten Leute hatten ja das Licht angemacht. Aber nicht Neri. Ich ging hinaus und sah zum Turm hinauf, und kein Licht war an. Trotzdem wußte ich, daß ich ihn aufgeweckt hatte.«
    »Woher wollen Sie das so genau wissen?«
    »Oh, ich weiß es. Es war kein Licht an, aber ich habe ihn gehört. Er hat geschrien. Richtig geschrien. Dort oben im Dunkeln. Ich habe ihn zu Tode erschreckt.«
    Der Wachtmeister saß verdutzt und unbeweglich da, sagte kein Wort.
    »Tut mir leid«, sagte William, während er ihm einen Becher Tee reichte. »Ich hielt es für eine prima Idee – ehrlich gesagt, wir haben zum Essen ziemlich viel Wein getrunken – oh, keine Sorge, ich habe den anderen Schauspielern nichts gesagt.«
    Als der Wachtmeister noch immer schwieg, fuhr er fort. »Na ja, Sie wissen ja, wie es ist. Was einem nach ein paar Gläsern als tolle Idee erscheint, ist bei Tageslicht…«
    »Sie haben…« unterbrach ihn der Wachtmeister, hielt aber sofort wieder inne. Er mochte den Jungen zwar, aber Sympathie hatte ihn noch nie davon abgehalten, die Dinge so zu sehen, wie sie waren. Wie oft hatte er das schon bedauert, aber er konnte es nicht ändern, also… »Sie haben Ihr Feuerwerk nicht mitten in der Nacht nach ein paar Gläsern Wein gekauft. Sie müssen es zu den normalen Geschäftszeiten gekauft haben.«
    William errötete etwas, lächelte.
    »Ja, natürlich. Sie haben recht. Ich hätte daran denken sollen, daß Ihnen nichts entgeht, und Ihnen nichts vormachen dürfen. Die Wahrheit ist, daß ich den Leuten gern einen Streich spielen wollte, nachdem Sie mir erzählt hatten, daß niemand etwas davon gehört hatte. Also, ja, ich habe den Kracher gestern gekauft, auf dem Weg ins Theater, nachdem Sie bei mir gewesen waren. Dann, nachdem ich sah, was ich angestellt hatte – besser gesagt: hörte, was ich Neri angetan hatte – habe ich mich offen gestanden ziemlich geschämt. Es war kindisch von mir und unpassend, und ich vermute, daß ich das Ding nicht abgefeuert hätte, wenn ich nicht betrunken gewesen wäre, auch wenn ich es vorher schon gekauft habe. Jedenfalls tut es mir leid.«
    »Nun«, sagte der Wachtmeister, erleichtert über die Offenheit des Engländers, »ich glaube nicht, daß irgendein Schaden entstanden ist.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher.«
    Der Junge trank von dem Tee und runzelte die Stirn. »Heute morgen, als ich zur Probe ging, sah ich zwei Männer ins Haus kommen. Es waren Ärzte, da bin ich mir sicher. Beide sprachen Englisch, auch wenn einer zweifellos Italiener war. Also, Sie sehen, vielleicht ist doch großer Schaden entstanden.«
    Der Wachtmeister beobachtete ihn. Erst jetzt bemerkte er, daß das Gesicht des Jungen, wenn er nicht gerade schelmisch lachte, schmal und traurig war. Im einen Moment sah man den lebhaften Komiker, im nächsten das heimatlose Waisenkind. Seine Reue war zudem aufrichtig. Wenn es jemandem geschadet hatte, dann bekümmerte es ihn. Mehr aus dem Wunsch, ihn zu trösten, als daß es die Wahrheit gewesen wäre, sagte er: »Es ist wirklich nicht Ihre Schuld. Man sagt, der junge Ulderighi ist schwach und nervös, kein normaler Mensch.«
    »Er hatte gerade seinen Vater verloren. Vielleicht hat er den Kracher gehört, vielleicht auch nicht. Gerade ich hätte es besser wissen müssen.«
    »Nach allem, was ich gehört habe, standen sie sich nicht nahe«, sagte der Wachtmeister. Verwundert sah er ein Glitzern wie von Tränen in Williams dunkelgrauen Augen, und seine Traurigkeit teilte sich ihm mit. »Man kann die Reaktionen anderer Menschen nicht immer nach seinen eigenen beurteilen.«
    »Nein.«
    Das schien zu wirken. Erleichtert sah der Wachtmeister, daß das Glitzern aus den Augen verschwand. »Natürlich nicht. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meinem Vater. Er war Lehrer, wissen Sie, aber seine große Leidenschaft war das Theater. Er hat mir so viel beigebracht, schon in meiner frühesten Kindheit – was hätte er nicht gegeben, um aus seinem langweiligen Job auszusteigen und das zu tun, was ich jetzt mache… Das gleiche gilt in gewisser Weise auch für Catherine. Unsere Eltern haben uns keinen Pfennig hinterlassen, das habe ich Ihnen wohl schon erzählt, aber wir haben ihre Träume geerbt. Das ist nicht nichts, oder?«
    »Nein, nein…« pflichtete ihm der Wachtmeister bei, aber er dachte, daß ein Dach über dem Kopf und ein wenig Geld auf der Bank auch nicht schaden könne. Seine Frau würde

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