Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
natürlich eine Beamtenpension bekommen… Aber was, wenn ihnen beiden etwas zustoßen würde, wie den Eltern dieses Jungen? Wie würden ihre beiden Söhne dastehen? Er müßte sich mal erkundigen. Um derlei Dinge muß man sich einfach kümmern… beispielsweise war es bestimmt besser, nicht ohne die Kinder zu verreisen. Sobald man sich aber mit solchen Gedanken beschäftigte, hörte man auf, richtig zu leben… »Sie denken bestimmt, was für ein kindischer Idiot ich bin«, unterbrach William ihn, »nach Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen.«
    »Nein, nein… Ich habe an nichts gedacht, nur…«
    Mit einem Seufzer stellte er den Teebecher ab, von dem er kaum getrunken hatte. Er war hier, um den Anschein zu erwecken, als würde er seine Pflicht tun, also sollte er lieber fortfahren, diesen Anschein zu erwecken. »Ich überlege… dieses alte Kindermädchen…«
    »Natürlich! Ich bringe Sie zu ihr, einverstanden? Sie wird Sie reinlassen müssen, wenn ich dabei bin, wenn sie überhaupt jemanden reinläßt. Man weiß nie, wie klar sie gerade ist, aber wir sollten es probieren.«
    Er freute sich, nach dieser Dummheit etwas Nützliches zu tun, das konnte der Wachtmeister deutlich sehen. Aber welche Motive hatte er selbst, sich der Dienste des Jungen zu versichern? Lorenzini könnte, er müßte sogar anwesend sein, wenn eine zweite Person wirklich notwendig wäre, was er freilich bezweifelte. Seit jenem ersten Abend hatte er zu Lorenzini aber kein Wort über diese Geschichte gesagt, und er fragte sich jetzt, ob er das getan hatte, weil er seinen jungen Untergebenen nicht dabei haben wollte, wenn man sich seiner bediente, wenn er sich lächerlich machte, oder hatte er etwa Angst… Angst wovor? Als die beiden aus dem Atelier traten, hinaus in das musikerfüllte Halbdunkel der Kolonnade, wußte er, daß er wirklich Angst hatte. Er konnte es sich nicht erklären, weil es keine Erklärung gab. Er fürchtete sich vor diesem Haus.
    5
    »Und überall war Blut, Blut… überall. Sie hat es nicht gesehen, einfach nicht gesehen, aber ihr Gesicht…«
    Die alte tata strich mit ihrem dünnen knochigen Finger über die blasse Wange auf dem Porträt. »Sie war schön. In ihrer Jugend gab es niemanden, der schöner gewesen wäre. Schau sie dir an. Es heißt, sie ist schuld gewesen an dem, was passiert ist, aber die Leute sagen viel. Und was hätte sie sonst tun sollen?«
    Sie warf dem Wachtmeister einen Blick zu, der ihm zugleich hellsichtig und boshaft erschien. Bei sehr alten und bei geistig verwirrten Menschen konnte man nie ganz sicher sein, wieweit sie sich hinter ihren Schwächen versteckten und ihr Gegenüber insgeheim betrachteten. Die Frau redete weitschweifig, und der junge William stachelte sie an. Offensichtlich kannte er diese Geschichte, vielleicht hatte er sie schon öfters gehört. Wenn es nur ein Fenster in diesem Zimmer gäbe! Wegen der Größe des Doppelbetts war kaum Platz für drei Stühle. Der Wachtmeister versuchte, seine Nase vor dem schwachen, unangenehmen Geruch sehr alter Leute zu verschließen. Seine Mütze lag auf seinen Knien, und die Sonnenbrille hielt er in der Hand. Das einzige Licht kam von den Hunderten von roten Andachtskerzen, die schwach vor sich hinglühten.
    »Sie haben die Männer aber erwischt, die es getan haben, stimmt's?« brüllte William ihr ins Ohr.
    »Erwischt haben sie sie. Erwischt. Alle vier. Das Mädchen hat bloß bekommen, was sie verdient hat, eine Ehebrecherin, ein Nichts. Aber er war der Bösewicht, und er hat seine wohlverdiente Strafe bekommen.«
    »Und er stank! Erzähl uns, Tata, wie er gestunken hat!«
    »Gestunken? Wenn er die Straße entlangging, stank es noch tagelang nach ihm. Ein ganzes Jahr hat er seine Sachen nicht gewechselt. Er war ein Schwein. Er hat ja nie besonders gut ausgesehen, schon als Junge nicht, im Gegensatz zu Francesco. Nun, wenn sie Francesco geheiratet hätte, was ja geplant war – er war ein Opfer, wenn es je ein Opfer gegeben hat. Und mein Gott, war er schön! Wirklich wahr. Er war ganz in Weiß gekleidet, mit einem Kranz aus Frühlingsblumen… ich sehe ihn vor mir. Sein Kopf hatte auf der einen Seite eine riesige Wunde…«
    Die alte Frau hielt plötzlich inne und musterte William mit schmalen Augen.
    »Hast du mir was mitgebracht?«
    »Süßigkeiten, wie du sie bestellt hast«, sagte William.
    »Und sind sie weich? Ich habe keine Zähne.«
    »Ich habe mich genau an deine Bestellung gehalten. Sie sind weich. Hier.«
    Sie entriß ihm die Schachtel,

Weitere Kostenlose Bücher