Tod im Palazzo
gibt's?«
»Die Staatsanwaltschaft ist dran.«
Lorenzinis Gesicht, das allen Grund hatte, ein stummes Ich hab's Ihnen gleich gesagt aufzusetzen, ließ nur Anteilnahme und Bestürzung erkennen.
Auch der Wachtmeister war erschrocken, aber hätte er denn etwas anderes erwarten dürfen? Gewiß, dieser Fall war für die Presse heruntergespielt worden, aber ganz Florenz spekulierte über den Tod einer so prominenten Person – oder sollte man sagen, des Mannes einer so prominenten Person? Es war klar, daß entweder aus dem Gerichtsmedizinischen Institut oder aus dem technischen Labor im Hauptquartier etwas nach außen dringen mußte.
Er setzte sich hin und griff zum Hörer, während er Lorenzini mit einer Handbewegung signalisierte, daß er bleiben solle. Das Gespräch dauerte nicht sehr lang, und der Wachtmeister steuerte nicht viel mehr bei als hin und wieder ein zustimmendes Grunzen. Nachdem er aufgelegt hatte, sagte er zu Lorenzini nur soviel, daß der Ermittlungsbericht am nächsten Tag spätestens um zwölf in der Staatsanwaltschaft vorliegen müsse, anschließend werde der Untersuchungsrichter verfügen, daß der Bericht dem Archiv zu übergeben sei. Der Leichnam von Buongianni Corsi solle freigegeben und am Samstag beerdigt werden. Der Wachtmeister gab dies alles wieder, ohne daß seinem Gesicht oder seiner Stimme auch nur das geringste anzumerken war.
Lorenzini, unsicher, ob er gehen sollte oder den Versuch wagen konnte, seine Neugier zu stillen, meinte schließlich: »In dem Fall…«
»Ja, bitte?«
»Ich… ich meine, dieser Leo. Soll ich noch immer…«
»Beobachte ihn.«
»Aber in Ihrem Bericht wird doch vermutlich nichts stehen, was diese Maßnahme rechtfertigen würde. Man könnte es gewissermaßen als separate Ermittlung bezeichnen.«
Der Wachtmeister sah ihn an, beziehungsweise durch ihn hindurch, mit Augen, die so leer waren wie die Fenster eines unbewohnten Hauses.
»Bezeichne es, wie du willst. Es wird nichts in meinem Bericht stehen. Nichts. Was sollte denn dastehen?«
»Ich weiß nicht. Sie schienen sicher zu sein, daß der dunkle Fleck auf dem Gesicht…«
»Hypostasen sind Sache des Arztes, der die Leiche untersucht hat.«
»Ja, natürlich. Ich dachte nur… ich werde also anfangen, ihn zu beschatten, heute abend.«
»Vielen Dank. In Anbetracht der Präsenz des Erzbischofs, des Oberstaatsanwalts und so weiter und so weiter müssen bei der Beerdigung zwei Carabinieri anwesend sein.«
Lorenzini wartete einen Augenblick, aber sein Vorgesetzter machte keine weitere Bemerkung, daher verließ er den Raum und zog leise die Tür hinter sich zu.
Der Wachtmeister kehrte zu seinem Platz am Fenster zurück und sah ruhig hinaus, die breiten Schultern so steif, als wollte er sich gegen einen bevorstehenden Schlag wappnen.
»Herr, gib ihm die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihm. Möge er ruhen in Frieden.«
»Amen.«
Der Weihwasser sprengende Priester, der hinter dem Erzbischof um den Sarg schritt, war derselbe, den der Wachtmeister beim Betreten des Palazzo Ulderighi gesehen hatte. Der Beichtvater der Familie. Die Familienkapelle. Die Kapelle war nur wenige Schritte vom Haus entfernt, und nach der muffigen, kalten Luft zu urteilen, war sie seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Ohne die Anwesenheit des Wachtmeisters und eines seiner Jungs wäre noch immer keine frische Luft hereingedrungen, denn die Familienmitglieder betraten die Kapelle über einen Gang, der direkt mit ihrem Palazzo verbunden war und ihnen einen unbemerkten Zugang durch die dazwischenliegenden Häuser ermöglichte. Das war durchaus nicht ungewöhnlich und, im Fall der Ulderighi, nach dem Tod des unglückseligen Francesco, eine Notwendigkeit. Im sechzehnten Jahrhundert war es für einen Ulderighi nicht unriskant, auf die Straße zu gehen.
»Für Buongianni und die Seelen aller Verstorbenen…«
Während der Wachtmeister stand, saß die kleine Gemeinde auf harten Stühlen, die ihn an das Hauskonzert erinnerten, an die zierlichen vergoldeten Stühle, an den jungen Mann auf dem Hocker an der Tür, dessen Name er inzwischen vergessen hatte. Gegenüber stand der junge Beamte, den er mitgenommen hatte. Ein junger Wehrpflichtiger, der sich so sehr vergaß, daß er die prominenten Persönlichkeiten, die in seiner Nähe saßen, von oben herab begaffte und die Fresken rechter Hand von ihm von unten hinauf anstarrte. Die fensterlose Kapelle wurde lediglich von ein paar schwachen Birnen erleuchtet und vielen flackernden
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