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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Mietwohnung… Sie sollten sich eine Wohnung kaufen. Seine Frau kam regelmäßig auf das Thema zu sprechen, und natürlich hatte sie recht. Nichts gegen die Dienstwohnung, aber wenn er in Rente ging, mußten sie irgendwo unterkommen, und das bedeutete, daß sie sehr viel mehr würden ausgeben müssen. Sie hätten es schon längst tun sollen, aber bei der Diskussion um das »Wo« kamen sie nie weiter. Die Preise in Florenz waren astronomisch, und sie hatten immer davon gesprochen, eines Tages nach Sizilien zurückzukehren. Machten sie sich nicht etwas vor? Die Jungen würden nicht mitkommen, für sie gab es dort unten nichts. Sie würden zusammen mit ihren Freunden in Florenz studieren wollen. Sie sollten sich hier etwas kaufen, aber die Preise… eine kleine Wohnung würde über dreihundert Millionen kosten. Dreihundert Millionen… was würde der Palazzo Ulderighi wert sein? Er hatte nicht die leiseste Vorstellung. Milliarden. Aber Milliarden hatten für den Wachtmeister keine Bedeutung. Eine Geldsumme hat keine reale Bedeutung, wenn man nicht sagen kann, was man damit anfangen oder kaufen kann. Der Wachtmeister wußte, eine Million, das reichte für zwei Monate Gas, Strom und Telefon und so weiter, aber eine Milliarde, darunter konnte er sich nichts vorstellen. Wieviel es wohl kostet, einen Palazzo zu unterhalten – den man, unabhängig von seinem Wert, nicht verkaufen kann, da er eine neunhundertjährige Erbschaft ist?
    Aus irgendeinem Grund fiel ihm Dr. Martelli ein, nicht weil sie im Haus der Ulderighi wohnte, sondern wegen irgendeiner anderen Sache, die sie vielleicht erwähnt hatte – nein, es war dieser ganze Krimskrams gewesen. Sie hatte gesagt, wie die Sachen hießen, aber er hatte den Ausdruck nicht richtig verstanden. Der Punkt war, daß ihr dieses Zeug nicht besonders gefiel, aber es hatte ihrem Vater gehört, und sie würde es schätzen lassen. Die ganze Wohnung vollgestellt mit Zeug, das ihr nicht gefiel, dem sie sich aber verbunden fühlte, weil es sie an ihren Vater erinnerte. Na ja, die Kinder des Wachtmeisters würden vielleicht eine anständige Etagenwohnung erben und ein bißchen Geld dazu, aber es bestand nicht die Gefahr, daß sie mit einem Haufen Trödel herumsitzen würden.
    Er öffnete das Fenster ein wenig und ließ die warme, nach Lorbeer riechende Luft herein. Um diese Uhrzeit stand die Sonne schon hinter dem rechten Flügel des Palazzo Pitti, so daß die im linken Flügel untergebrachte Carabinieri-Wache in einem kühlen Schatten lag, der durch die vielen Bäume noch tiefer und erfrischender wurde. Das körperliche Wohlempfinden, an einem solchen Vormittag hinausgucken zu können, ohne sich hinter der Sonnenbrille verstecken zu müssen, ließ ihn für einen Moment alle aktuellen Probleme vergessen.
    Schließlich mußte man die Dinge so nehmen, wie sie kamen, und die meiste Zeit gefiel ihm sein Job. Er empfand väterliche Zuneigung für die Jungs, die ihm unterstanden, und mit den Leuten in seinem Bezirk kam er ganz gut zurecht. Sein Beruf war anständig bezahlt und vor allem sicher und angesehen. Sein Vater, ein Kleinbauer, hätte alles für einen solchen Beruf gegeben.
    Während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, erinnerte er sich, daß es eigentlich die Worte seiner Mutter gewesen waren. Kurz bevor er sich zum Dienst gemeldet hatte, war sein Vater gestorben, und es war seine Mutter, die, mit Tränen in den Augen, gesagt hatte: »Es ist ein guter Beruf, sicher und angesehen. Dein Vater hätte alles dafür gegeben…«
    Hatte er sich zum Militär gemeldet, weil sein Vater das gern getan hätte? Hatte er seinen Weg entschlossener verfolgt, weil sein Vater gestorben war? Wenn man etwas tut, weiß man nie, was der wahre Grund ist. Man glaubt… Wir haben ihre Träume geerbt… Das gleiche. Diese beiden Waisenkinder, William und Catherine Yorke, alleine in einem fremden Land, um die Träume ihrer Eltern von Freiheit und einem künstlerischen Leben zu verwirklichen. Die Eltern waren natürlich in ihren gesicherten Berufen geblieben, bis sie gestorben waren. Man kann sich gegen den Druck der Eltern wehren, solange sie leben und kämpfen können, aber wenn sie tot sind? Wie kann man sich gegen den Einfluß eines Toten wehren?
    Hinter dem Wachtmeister ging die Tür auf, ohne daß jemand angeklopft hatte. Das hieß: Lorenzini.
    »Ein Anruf für Sie.«
    »Dann stell durch.«
    Der Wachtmeister starrte weiter zum Fenster hinaus.
    »Herr Wachtmeister…«
    Jetzt drehte er sich um. »Was

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