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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Gedanke kam, daß er das Problem lösen könnte, wenn sie zum Palazzo Ulderighi gingen, möglicherweise gehörte die Leiche dorthin. Sollte die Familie nicht die Verantwortung für sie übernehmen?
    Er ging nun etwas schneller, aber die Stimme des Toten neben ihm im Dunkel kam aus einer abgrundtiefen Traurigkeit.
    »Bringen Sie mich nicht in das Haus zurück.«
    »Gut. Ich versprech's Ihnen.«
    Aber wohin mit ihm? Er müßte sicher begraben werden… war das nicht die übliche Prozedur? Er konnte den armen Mann nicht ewig mit sich herumschleppen. Die Trauer, an der dieser Mann trug, überwältigte ihn fast. Dem Wachtmeister fiel jetzt ein, daß sie seine Mutter unten in Sizilien nach ihrem letzten Schlaganfall begraben hatten. Sie hatte im vorderen Schlafzimmer des alten Hauses gelegen, und dann waren die Leute gekommen und hatten sie beerdigt. Man mußte es also nicht ganz allein machen. Seine Mutter hatte er nicht so herumtragen müssen, es wäre ihm sonst eingefallen.
    Also kämpfte er sich weiter, bis zum alten Haus, und nachdem er in der Dunkelheit mit Mühe den Weg zum vorderen Schlafzimmer gefunden hatte, legte er seine Bürde auf dem breiten Bett ab.
    Die Glieder des Toten beruhigten sich, aber die Augen blieben aufmerksam. Der Wachtmeister sagte: »Sie müssen hier bleiben.«
    Ob er ihn verstand? »Es geht nicht anders. Ich kann Sie nicht länger mit mir herumtragen.«
    Die Augen waren geschlossen. Der Wachtmeister deckte ein Laken über den Körper. Dann ging er nach unten, setzte sich in den alten Lehnstuhl seiner Mutter und wartete. Er hielt den Atem an, wußte nicht, wie lange er warten müßte. Wichtig war vor allem, daß Corsi still lag – hatte er die Tür abgeschlossen? Ein erstes schwaches Geräusch kam von oben. Er umklammerte die abgenutzten Lehnen des Stuhls, und Schweißperlen standen auf seiner Stirn, als er zur Decke guckte.
    »Nein…«
    Aber er hatte sich nicht geirrt. Er hörte Schritte auf der Treppe, zunächst langsam und vorsichtig, doch dann ganz normal. Er sprang hoch, wollte sich noch an den Lehnen abstützen, stieß aber ins Leere.
    »Nein!«
    »Salva!«
    Das Licht blendete ihn. Er saß vornübergebeugt in seinem Bett und spürte den Arm seiner Frau, der sich warm und beruhigend um ihn legte.
    »Du bist ja patschnaß! Um diese Jahreszeit hast du nie Fieber!« Er war viel zu benommen, um antworten zu können. Die schrecklichen Traumszenen waren noch immer real.
    »Ich werde dir einen frischen Pyjama hinlegen. Stell dich unter die Dusche, dann fühlst du dich besser.«
    »Es war bloß ein Alptraum…«
    Er stand auf und ging ins Badezimmer. Die Stimme seiner Frau folgte ihm.
    »Nun, ist doch kein Wunder, wenn du dir abends um zehn noch den Bauch vollschlägst.«
    »Acht.«
    Sie übertrieb immer.
    »Erzähl mir nicht, du hättest nicht zum Mittagessen nach Hause kommen können, wenn du deine Arbeit besser organisieren würdest. Ich hab dir schon mal gesagt: Laß die jungen Leute herumrennen. Dafür sind sie da. Ich habe dir angeboten, daß ich dir zum Abendessen etwas Leichtes koche, diese toskanischen Würste liegen dir wie Blei im Magen… Du hättest sie morgen mittag essen können…«
    Die schimpfende Stimme tröstete ihn, drängte den Alptraum in das Dunkel zurück, wohin er gehörte.
    »Machst du mir einen Kamillentee?«
    Er folgte ihr nicht in die Küche, sondern tappte in seinen Filzpantoffeln den marmorgefliesten Korridor entlang und betrat schließlich sein Dienstzimmer. Das Paket vom Gerichtsmedizinischen Institut lag noch immer auf dem Schreibtisch.
    Der junge Lorenzini guckte genau so, wie er es erwartet hatte.
    Erstaunen, ein wenig Mitleid vielleicht, und jenes Etwas, das man nie richtig definieren konnte, das eine kalte, leere Distanz erzeugte, wo vorher Gemeinsamkeit bestanden hatte. Dieses Etwas, das einen spüren ließ, daß man sich von den anderen isoliert hatte. Es wäre dem Wachtmeister lieber gewesen, ihm nichts sagen zu müssen, aber er brauchte seine Hilfe.
    »Ich möchte, daß er beobachtet wird. Du bist der einzige, auf den ich mich verlassen kann.«
    »Aber die Sachen… Sie werden sie doch nicht der Marchesa aushändigen?«
    Es gab auch Zeiten, in denen der Wachtmeister, so sehr er Lorenzini auch mochte und respektierte, lieber mit einem Sizilianer zusammengearbeitet hätte. Mit einem etwas verbindlicheren, taktvolleren Kollegen, der nicht einmal im Traum daran denken würde, in einer so heiklen Angelegenheit direkte Fragen zu stellen. Nun ja, die

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