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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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meinen unglücklichen Mann zu vermeiden, der Sorge um die Gesundheit meines Sohnes Platz machen mußte. Er ist der einzige Erbe.«
    Welche Reaktion erwartete sie von ihm? Er starrte sie schweigend an. Der Gedanke, daß sie ihn für beschränkt halten mußte, ließ ihn völlig kalt. Er hatte nie behauptet, ein heller Kopf zu sein. Sie hatte ihm eine Erfrischung angeboten, die er abgelehnt hatte. Sie war nicht so unfein gewesen, ihn unverblümt zu bitten, alles was er hörte, für sich zu behalten.
    »In dem Moment«, sagte er zu Lorenzini, »bestand doch gar keine Notwendigkeit. Wem sollte ich etwas sagen?«
    »Hat sie's Ihnen erklärt?«
    »Sie sagte, daß sie gestritten hatten, was ich schon wußte. Corsi ging offenbar runter und holte ein Gewehr.«
    Und ist damit hochgekommen, statt sich unten im Jagdzimmer zu erschießen?
    Er wollte mich erschießen, Herr Wachtmeister.
    »Das war der Moment, als Neri, von dem Lärm wachgeworden, auf der Bildfläche erschien. Er sagte, sein Vater habe geschrien und getobt und das Gewehr tatsächlich auf seine Mutter gerichtet. Vielleicht hat sich durch Neris Eintreffen alles geändert. Corsi drängte an ihm vorbei, zur Turmtreppe. Neri folgte ihm. Er sah, wie sein Vater sich erschoß.«
    »Und Sie glauben, daß er die Wahrheit sagt?«
    »Er sagt die Wahrheit.«
    »Und alles, was die Marchesa sagt, bestätigt seine Angaben.«
    »Mmmh.«
    »Sie sind anderer Meinung?«
    »Oh, wahrscheinlich hast du recht, bloß…«
    Dem Wachtmeister fiel es schwer, etwas zu erklären. Er hatte der Marchesa im Grunde nicht zugehört, sondern sie nur beobachtet. »Ihm glaube ich«, sagte er schließlich, »ihr nicht.«
    Und noch so viel florentinische Logik auf seiten Lorenzinis konnte ihn nicht verunsichern. Am Ende fühlte sich der Wachtmeister ein bißchen schuldig. Es war Sonntag abend, und er hatte Lorenzini von Frau und Kind weggerissen, weil er jemanden brauchte, mit dem er über all diese Dinge sprechen konnte. Und Lorenzini, in Jeans und T-Shirt absurd jung aussehend, saß mit ernstem Gesicht da und bemühte sich, wenngleich erfolglos, den Wachtmeister zu verstehen.
    »Ich hätte dich nicht kommen lassen sollen. Fahr nach Hause!« Nachdem Lorenzini gegangen war, saß der Wachtmeister noch fünf Minuten da, bevor er sich schwerfällig von seinem Schreibtisch erhob und das Licht ausschaltete.
    Gegen halb zwei Uhr nachts sagte er zu seiner schlafenden Frau, als würden sie schon lange miteinander sprechen – was sie in seinem Kopf auch tatsächlich taten – »Es stimmt doch, daß man bei der Beichte nur die eigenen Sünden bekennen muß, oder? Teresa, hörst du mir zu?«
    »Was?«
    Sie drehte sich im Halbschlaf zu ihm um und schlug dann die Augen auf. »Was ist los, bist du krank?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich hab bloß überlegt. Ich hab noch nie daran gedacht. Man beichtet nur die eigenen Sünden, also, wenn man etwas Schreckliches weiß, das ans Tageslicht kommen sollte…«
    »Dann erzählt man es den Carabinieri. Mein Gott, Salva…«
    Sie drehte sich wieder um und zog mit einer heftigen Bewegung die Decke über die Schulter. »Wenn du nachts bloß schlafen würdest, dann wärst du tagsüber nicht so dösig.«
    »Grand plié!«
    Z wei laute Klopfer. »In der ersten zwei demi pliés, ein grand plié, cambré vorwärts, in der zweiten cambré rückwärts, in der vierten cambré zur barre, in der fünften zwei grands pliés und grand fort de bras, soussus und Drehung.«
    Wieder wurde geklopft, und dann setzte die Musik ein. Der Wachtmeister wandte sich eingeschüchtert ab, um vor einer anderen Tür zu lauschen. Die zu seiner Rechten war geschlossen, aber das Lachen und die fröhlichen Stimmen dahinter deuteten darauf hin, daß er dort zumindest den Unterricht nicht stören würde. Er trat sofort ein und blieb stehen. Etwa zwanzig kleine Mädchen befanden sich in unterschiedlichen Stadien des Umkleidens, einige standen hopsend und schnatternd auf dem großen Tisch, der den Raum fast ausfüllte, während ihre Mütter ihnen pinkfarbene Strumpfhosen auszogen, oder sie sich selber mit ungeschickten Bewegungen aus Gymnastikanzügen pellten. Dem Wachtmeister erschienen sie kaum groß genug, um zu gehen, geschweige denn zu tanzen. Mit Erleichterung sah er ein, zwei Väter in dem quirligen Durcheinander, und ihnen rief er durch den Lärm zu: »Wo finde ich die Direktorin?«
    »Ich glaube, sie ist… setz dich, ich habe gesagt, setz dich hin! Hier auf den Tischrand, oder du machst dir deine

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