Tod im Pfarrhaus
Geburtstag, und er kam abends am sechzehnten. Das war ein Freitag.«
»Da wohnte er vermutlich im Haus seiner Mutter?«
»Ja.«
»War er in dieser Zeit auch hier oben im Castle?«
Andrew nickte mutlos.
»Wir aßen Samstag hier zu Abend. Christian, Tante Mary, meine Verlobte und ich. John konnte nicht kommen. Das ist Marys Lebensgefährte.«
»Weiß Christian, wo Sie Ihren Pass aufbewahren?«
»Ja. Er kennt dieses Haus genauso gut wie ich. Wir sind hier aufgewachsen.«
Als hätte ihn alle Kraft verlassen, ließ Andrew sich wieder in den Sessel sinken. Irene fuhr fort:
»Wusste er, wo Sie die Pistole und den Dolch aufbewahren?«
»Selbstverständlich! Ich hatte ihm gerade gezeigt …«
Er brach ab und starrte Irene hilflos an.
»Sie hatten ihm also den Dolch gezeigt, den Sie gerade erworben hatten. Oder?«, mischte sich Glen vorsichtig ein.
Andrew nickte nur. Plötzlich zuckte er zusammen und fing an, mit den Händen herumzufuchteln:
»Aber das ist doch unglaublich! Sie bringen mich dazu zu behaupten, dass Christian meinen Pass, meine Pistole und meinen Dolch gestohlen hat. Dann soll er nach Göteborg geflogen sein, um dort Rebeckas Eltern und Bruder zu erschießen. Er kannte sie doch gar nicht! Das Ganze ist vollkommen unsinnig! Und er kann die Pistole auch nicht durch den Zoll geschmuggelt haben.«
»Nein. Die Opfer wurden mit dem Gewehr von Rebeckas Bruder erschossen. Sowohl das Gewehr als auch die Munition fand der Täter am Tatort. Jemand, der mit Waffen umgehen kann, musste nur noch laden und abdrücken«, meinte Glen ungerührt.
Noch immer wollte sich Andrew nicht geschlagen geben, aber als er Glens Blick begegnete, nahm er die Brille ab, stützte die Ellbogen schwer auf den Knien ab und verbarg das Gesicht in den Händen.
»Das kann nicht wahr sein«, murmelte er.
Umständlich setzte er seine Brille wieder auf und schaute auf die Uhr.
»Sie müssen mich entschuldigen, aber ich werde in Edinburgh erwartet«, sagte er äußerst kontrolliert und würdevoll.
Alle drei erhoben sich gleichzeitig. Glen und Ire ne bedankten sich für das hervorragende Mittag essen und für den Whisky. Schweigend gingen sie durch die musealen Räume und die riesige Halle. Andrew trat auf den Schrank mit den geschnitzten Jagdszenen zu. Er öffnete die Tür und nahm ihre Mäntel heraus. Dann griff er zu einem Schal mit demselben Tartanmuster wie dem auf seiner Hose und wickelte ihn um seinen Hals. Irene gelang es nicht mehr, einen überraschten Ausruf zu unterdrücken. Andrew erstarrte mitten in der Bewegung. Erstaunt sahen er und Glen sie an.
»Entschuldigen Sie. Der Schal. Ist das Ihrer?«, brachte Irene endlich über die Lippen.
Andrew sah noch ratloser aus, falls das überhaupt möglich war.
»Ja. Natürlich. Das ist das Tartanmuster der St. Clairs.«
Wie verhext starrte Irene auf den karierten Schal in Hellrot, Blau und Grün. Er hatte Fransen. Aus denen sich leicht Wollfäden lösen konnten, die dann irgendwo in Büschen hängen blieben …
»Ist irgendwas Besonderes daran?«, wollte Andrew etwas ungeduldig wissen.
»Ja.«
Irene erzählte von dem Fund der Wollfäden. Mit einer müden Handbewegung zog Andrew den Schal aus und sagte nur:
»Hier. Bitte schön. Analysieren Sie ihn oder was auch immer. Aber ich kann beschwören, dass dieser Schal noch nie in Göteborg war.«
Er reichte ihn Irene.
»Es gibt andere Schals, die schon in Göteborg gewesen sein könnten. Ich habe allen meinen Kunden, Angestellten, Freunden und Verwandten letztes Jahr einen zu Weihnachten geschenkt. Rebecka hat auch einen, weil sie ebenfalls hier war. Und Christian, Mary … alle haben sie so einen Schal«, sagte Andrew noch.
Glen nickte und sagte:
»Aber nur einer war in Göteborg.«
»Meiner nicht«, war Andrews abschließende Bemerkung.
Sie traten auf den Innenhof und gingen zu ihren Autos. Ihr roter Rover sah neben Andrews silbernem Porsche spießig und langweilig aus. Er hatte es eilig, sprang mit einem Ciao in seinen Sportwagen und fuhr mit quietschenden Reifen durch das Torgewölbe davon.
»Ich kann verstehen, dass ihm die Sache an die Nieren geht«, meinte Irene.
»Ich auch. Netter Bursche. Aber wir müssen dem Ganzen trotzdem nachgehen …«
Er wurde vom Klingeln seines Handys unterbrochen. Nach ein paar kurzen »Jas« und »Ich verstehe« beendete er das Gespräch. Dann sah er Irene an und sagte:
»Jetzt kommt endlich Bewegung in die Sache. Das war mein Chef. Christian Lefèvre hat Rebecka aus der Klinik
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