Tod im Pfarrhaus
nahm drei Gläser aus Bleikristall aus dem Schrank und goss die goldbraune Flüssigkeit hinein. Mit feierlicher Miene reichte er Irene und Glen ihre Gläser. Genüsslich atmete er das Aroma ein, und die Polizisten folgten seinem Beispiel. Er hob sein Glas:
»Slainte!«
»Slainte!«, erwiderte Glen und hob sein Glas ebenfalls.
»Skål!«, sagte Irene auf Schwedisch.
In Gesellschaft dieser beiden Herren galt es wirklich, die eigene exotische ethnische Zugehörigkeit zu betonen. Auch wenn beide nicht wie waschechte Schotten wirkten, waren sie es doch in Herz und Seele.
Der Whisky hatte einen reinen Geschmack und brannte überhaupt nicht in der Kehle. Er lag gut auf der Zunge und hinterließ einen langen Nachgeschmack, der etwas von der Süße des Sherrys hatte. Es war wirklich ein sehr guter Whisky. Irene wusste, dass sie sich die Frage sparen konnte, ob sie eine Flasche für ihren Mann kaufen könne: Sie würde sie sich nicht leisten können.
Sie setzten sich wieder. Andrew lehnte sich in seinem Ledersessel zurück.
»Mir ist klar, dass Sie nicht allein der Geselligkeit wegen aus London angereist sind. Sie wollen über meinen Cousin und diese fürchterliche Mordgeschichte in Schweden sprechen. Natürlich betrifft das alles in erster Linie die arme Rebecka, aber er leidet natürlich auch darunter, da sie so eng zusammenarbeiten.«
Glen stutzte für den Bruchteil einer Sekunde, fing sich aber sofort wieder.
»Ja. Darf ich Sie als Erstes fragen, wie gut Sie Rebecka kennen?«
»Wir sind uns ein paar Mal in London begegnet, und Weihnachten war sie zwei … nein, drei Tage hier.«
»Sie war nicht öfter hier?«
»Nein. Nur vergangene Weihnachten.«
»Wie oft kommt Christian hierher?«
»Ungefähr alle zwei Monate. Häufiger, wenn Jagdsaison ist.«
»Geht er gerne auf die Jagd?«
»Wir St. Clairs kommen mit dem Gewehr in der Hand zur Welt. Christian und ich steckten immer zusammen, er hat also gleichzeitig mit mir schießen gelernt. Er ist ein begeisterter Jäger, ein sehr guter Schütze und kennt sich hervorragend mit Waffen aus.«
»Sie sind also Rebecka nur einige wenige Male begegnet, wenn ich Sie richtig verstanden habe?«
»Genau.«
»Sind Sie sich dabei näher gekommen?«
Andrew zog erstaunt die Brauen hoch.
»Näher? Wirklich nicht! Wir arbeiten zusammen. Um die Wahrheit zu sagen, kümmern sich Christian und Rebecka jetzt um diese Sachen. Aber sie ist wahnsinnig gut. Wenn sie gesund ist.«
»Wissen Sie, warum sie krank wurde?«
»Keinen blassen Schimmer. Laut Christian sind Depressionen in ihrer Familie erblich. Ihr Mutter hat … hatte das offenbar auch.«
»Sind Sie ihrer Familie einmal begegnet?«
»Der Mutter und dem Vater? Und dem Bruder? Denen, die ermordet worden sind … nein. Nie. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt je hier waren, um Rebecka zu besuchen. Das kann man schon etwas merkwürdig finden.«
»Waren Sie jemals in Göteborg?«
»Nein. Nur in Stockholm. Dort allerdings mehrmals. Eine sehr angenehme Stadt, sehr viel los. Führend im IT-Bereich. Deswegen war ich auch dort.«
Irene sah, dass Glen angestrengt über die nächs te Frage nachdachte. Um Zeit zu gewinnen, hielt er das Whiskyglas unter die Nase und drehte es. Genüsslich atmete er das Aroma ein. Dann nippte er.
»Wir haben diese Frage auch Rebecka und Christian gestellt, aber von beiden keine klare Antwort bekommen. Deswegen frage ich jetzt Sie, was Sie von der Beziehung der beiden halten? Haben sie eine?«
Siehe da, auch einer, der die Wahrheit für seine Zwecke zurechtbog. Es gab verschiedene Gründe, warum Irene Glen von Anfang an gemocht hatte. Dass sie auf einer Wellenlänge waren, war einer der wichtigsten.
Andrew zog erneut die Brauen hoch, und es dauerte eine Weile, bis er antwortete.
»Ich glaube nicht, dass sie eine Beziehung haben, also eine körperlicher Natur. Aber sie stehen sich sehr nahe. Christian macht sich jetzt, wo sie krank ist, sehr große Sorgen um sie.«
Glen nickte.
»Wissen Sie, ob Christian im Augenblick eine Freundin hat?«, fragte er.
»Christian hat immer viele Freundinnen gehabt, aber wie es im Augenblick steht, weiß ich nicht. Jedenfalls hat er mir gegenüber niemanden erwähnt.«
»Wann hat er zuletzt von einer Freundin erzählt?«
»Das ist vermutlich mehr als ein Jahr her.«
Glen stellte vorsichtig sein Glas auf den Tisch, sah dem Mann auf dem Ledersessel in die Augen und stellte dann die Frage, derentwegen sie gekommen waren.
»Sie waren also noch nie in
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