Tod im Pfarrhaus
Irgendwann im Leben kann einem das Glück zuteil werden, einen Menschen zu treffen, der direkt zum eigenen Herzen spricht. Dann weiß man, dass es für immer ist. Rebecka war für mich diese Person. Vor ziemlich genau einem Jahr merkten wir, dass wir ineinander verliebt sind. Dieser Sommer war der wunderbarste meines Lebens. Wir fuhren nach Schweden. Rebecka wollte mir ihre Heimat zeigen. Sie wollte jedoch nicht, dass wir ihre Eltern treffen. Deswegen fuhren wir in der Zeit, in der sie mit Sicherheit nicht zu Hause sein würden. Ich verstand nicht recht, warum, gab mich aber mit ihrer Erklärung, sie hätten kein gutes Verhältnis, zufrieden.«
Er verstummte und sah zur Seite. Irene und Glen hörten leise jemanden murmeln.
»Rebecka«, flüsterte Glen Irene ins Ohr.
Plötzlich tauchte Rebeckas bleiches Gesicht neben Christians auf. Er rückte etwas zur Seite, damit sie auch Platz im Bild hatte. Ihr Haar hing ihr schmutzig und ungekämmt in die eingefallenen Wangen. Ihre Augen erfüllte kein Leben mehr. Sie waren vollkommen ausdruckslos. Vergebens versuchte sie mehrmals, ihre trockenen Lippen zu Worten zu formen. Schließlich glückte ihr das.
»Ich hätte nichts … erzählen sollen … Alles ist meine Schuld«, stieß sie aus.
»Meine Schuld … durfte das nicht erzählen … niemandem«, flüsterte sie, immer noch auf Schwedisch.
Dann sah sie lange mit leerem Blick in die Kamera. Sie hörten, dass Christian etwas murmelte. Es klang wie: »Setz dich einen Moment aufs Sofa«, aber sie waren sich nicht ganz sicher. Rebecka drehte den Kopf zur Seite und stand auf. Ihre Kleider raschelten, als sie aus dem Bild verschwand. Sie hörten, wie sie sich ganz in der Nähe der Kamera und des Mikrofons schwer auf einen Stuhl fallen ließ.
Christians Gesicht tauchte wieder auf dem Monitor auf.
»Als wir letzten Juli in Göteborg waren, zeigte mir Rebecka das Haus ihrer Eltern. Wir hatten keine Probleme, reinzukommen, da unter dem Blumentopf auf der Treppe immer ein Ersatzschlüssel lag. Sie zeigte mir den Waffenschrank und alle Gewehre. Natürlich weiß sie, dass ich mich für die Jagd interessiere. Ich sah auch, wo ihr Vater den Schlüssel für den Waffenschrank versteckt hatte. Wir fuhren zum Sommerhaus. Es war ein warmer Tag, und wir gingen runter zum See und badeten. Sie erzählte, wie nah es vom Pfarrhaus zum Sommerhaus sei, wenn man durch den Wald gehe. Das hatte sie oft getan. Später in ihrer Wohnung in London zeigte sie mir eine Karte, auf der das Haus eingezeichnet war. Die nahm ich natürlich mit, als ich … Aber jetzt will ich zuerst von unserem Besuch im Sommerhaus erzählen. Auch hier lag der Schlüssel unter einem Blumentopf auf der Treppe. Drinnen zeigte sie mir das Versteck hinter der Wandverkleidung. Dort lag ein Gewehr mit Patronen. Rebecka erzählte mir, ihr Bruder wolle bald in das Sommerhaus einziehen und dass das Gewehr wahrscheinlich ihm gehöre. Er hatte schon einige Tage zuvor Kisten und allerlei andere Dinge vorbeigebracht. Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Stockholm. Es war eine schöne Reise durch Schweden. Die Tage in Stockholm waren ganz fantastisch. Wir wuss ten beide nicht, dass das der Anfang vom Ende war.«
Christian verstummte und schluckte. Als er wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme gleichgültig, fast tonlos.
»Wir trafen also diese Leute von Rädda Barnen. Sie informierten uns über den größten Pädophilenring, der jemals in Skandinavien entdeckt worden war. Unsere Aufgabe bestand darin, Informationen zu sammeln und die Identität der Teilnehmer herauszufinden. Es gelang uns, allen außer dreien auf die Spur zu kommen. Unseren Auftraggebern sagten wir jedoch, wir seien fünfen nicht auf die Spur gekommen.«
Rebecka stieß einen undeutlichen Laut aus, und er schaute in ihre Richtung. Sie hörten, dass er leise und beruhigend auf sie einredete, als würde er mit einem Kind sprechen.
»Doch, Liebste. Das ist wichtig. Sie müssen alles erfahren. Ich verspreche, dass ich es nur den beiden erzähle. Sonst niemandem.«
Das klang merkwürdig, aber weder Glen noch Irene hatten Zeit, näher darüber nachzudenken, denn schon schaute er wieder in die Kamera und fuhr fort:
»Wir begannen also mit der Arbeit und infiltrierten unentdeckt den Ring. Anfangs merkte ich nichts, aber dann begann Rebecka, sich zu verändern. Sie wurde … krank. Ich setzte mich mit Doktor Fischer in Verbindung. Er sagte, sie sei depressiv und dass das in der Familie liege. Vorher hatte ich keine
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