Tod im Pfarrhaus
… Patricia hieß sie, und sie brachte mir bei …«
Tommy beendete den Satz nicht, sondern zog nur vielsagend die Augenbrauen hoch. Er deutete einen Pfiff an.
Irenes Eltern hatten nie so viel Geld gehabt, ihr eine Sprachreise zu finanzieren. In den Sommerferien hatte sie immer arbeiten müssen. Im Sommer ’74 hatte sie, wenn sie sich recht erinnerte, auf dem Drottningtorget Eis verkauft. Schwarz und illegal, da sie noch keine fünfzehn gewesen war.
Tommy blieb stehen und deutete in den seitlich abzweigenden Korridor.
»Ich schau nur noch eben schnell bei Hannu vorbei. Er hat die Infos über Jacobs Exfrau«, sag te er.
Irene ging in ihr gemeinsames Büro weiter, um ihre Jacke zu holen.
Der Tag war lang und ermüdend gewesen, aber ein wenig waren sie immerhin weitergekommen. Wenn sie jetzt nur noch das Motiv für die Morde herausfinden könnten. Oder gab es mehrere? Kaum denkbar, da es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um ein- und denselben Mörder handelte. Alles deutete darauf hin, dass Jacobs Gewehr bei allen drei Morden verwendet worden war, die Festplatten waren an beiden Tatorten gelöscht und Pentagramme waren mit Menschenblut auf die Computermonitore der Opfer gemalt worden. Im Schlafzimmer des Ehepaars Schyttelius war ein Kruzifix umgedreht worden. Bei Jacob hatte die Spurensicherung ein Buch über Satanisten gefunden.
Irene stutzte, einen Arm bereits in der Jacke. Das Buch handelte nicht nur von den Satanisten, es war von einem ihrer Gründer geschrieben worden. Wenn Jacob mehr über die Satanisten und darüber, wie diese denken und agieren, hätte erfahren wollen, hätte er doch wohl versucht, sich ein Buch zu beschaffen, in dem diese so objektiv wie möglich dargestellt wurden. Das Buch eines Obersatanisten konnte wohl kaum als objektiv gelten.
Tommy kam herein und wedelte mit einem Blatt Papier.
»Gute Neuigkeiten. Sie wohnt jetzt in Karlstad. Ist vor Weihnachten aus Nordschweden hergezogen und hat ihren Mädchennamen wieder angenommen.«
»Wie heißt sie jetzt?«
»Kristina Olsson. Sie ist geboren … dann ist sie … warte mal … achtunddreißig Jahre alt.«
Tommy tat so, als sei er schwer von Begriff und stöhnte angesichts dieser intellektuellen Herausforderung. Beim Kopfrechnen verdrehte er die Augen. Irene und er kannten sich ziemlich gut, und er wusste genau, wie er sie zum Lachen bringen konnte.
Aber Irene fasste sich schnell wieder.
»Aber dann ist sie ja sieben Jahre älter als Jacob«, meinte sie.
»Sieben Jahre. Das ist doch nicht viel.«
»Nein. Aber sonderlich häufig ist es auch nicht.«
»Vielleicht nicht. Glaubst du, dass du dich morgen mal mit dieser Dame unterhalten kannst? Ich habe einen Tipp im Speedy-Fall bekommen, dem ich nachgehen muss.«
»Okay. Gib mir den Zettel.«
»Hallöchen, Liebling«, ließ sich Kristers Stimme aus dem Wohnzimmer vernehmen.
Die Erkennungsmelodie von Aktuellt, den Nachrichten, war ebenfalls zu hören, und dazu erzählte eine tiefe Männerstimme etwas von der neuesten Bombe, die in Spanien explodiert war.
Irene streichelte Sammie, der sie schwanzwedelnd begrüßte und versuchte, sie davon zu überzeugen, dass er den ganzen Tag vernachlässigt worden sei. Aber sein frisch gebürsteter Pelz glänzte, die Pfoten waren feucht vom letzten Spaziergang, und sein Futternapf stand an seinem üblichen Platz. Etwas Trockenfutter war noch übrig, aber sonst war alles leer geputzt. Irene gab ihm einen Kuss auf die Schnauze. Er schnaubte, sah aber ein, dass er durchschaut worden war. Trotzdem recht zufrieden mit seinem Dasein trottete er zu seinem Herrchen ins Wohnzimmer und machte es sich auf dem Teppich unter dem Glastisch bequem.
Irene wärmte sich die Gemüsesuppe auf, die auf dem Herd stand, und strich sich dazu einige Brote: Leberpastete und Unmengen von Salzgurken. Sie wusste, dass noch Bier da sein müsste, und nach einigem Suchen fand sie ganz hinten im Kühlschrank eine Dose Leichtbier. Dann stellte sie alles auf ein Tablett und trug es ins Wohnzimmer. Es hatte ihr nicht gefallen, dass sie einen zweiten Fernseher angeschafft hatten, aber wenn sie und Krister nicht nur MTV schauen wollten, blieb ihnen nichts anderes übrig. Das Einzige, worin sich die Zwillinge immer einig waren, war die Wahl des Fernsehprogramms.
Ihr Mann gab ihr einen zerstreuten Kuss und schielte gleichzeitig mit einem Auge auf den Bildschirm. Irene war zu hungrig, um sich über den Mangel an Begeisterung und Leidenschaft zu ärgern. Mit riesigem Appetit
Weitere Kostenlose Bücher