Tod im Pfarrhaus
wusste sie auch, wo. Wer diese Teppiche gewebt hatte, hatte auch den in der Diele des Pfarrhauses von Kullahult gemacht.
Irene setzte sich auf das mit gelber Seide bezogene, unbequeme Sofa. Kristina nahm auf der Kante des dazu passenden Sessels Platz. Eine seltsame Einrichtung für eine so junge Frau.
»Sieht schön aus, wenn die Sonne auf den Teppich fällt«, begann Irene die Unterhaltung.
»Ja«, lautete die tonlose Antwort.
Irene beschloss, nicht gleich aufzugeben, und fuhr fort:
»Haben Sie die Teppiche selbst gewebt?«
»Nein. Meine Schwester.«
»So ein Teppich liegt in der Diele Ihrer ehemaligen Schwiegereltern. Hat Ihre Schwester den auch gewebt?«
»Ja.«
Irene unterdrückte einen Seufzer und beschloss, direkt zur Sache zu kommen.
»Unsere Ermittlungen laufen etwas ins Leere, weil wir einfach auf kein Motiv stoßen. Können Sie sich eins vorstellen?«
Als Antwort schüttelte Kristina nur den Kopf. Tränen traten ihr in die Augen. Warum war sie so nervös? Oder war sie so dermaßen aus dem Lot, dass sie nicht über ihren Exmann sprechen konnte?
In den Zeitungen hatte noch nichts über die Pentagramme gestanden, aber es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis jemand ins Plaudern kam. Irene beschloss, es in dieser Richtung zu versuchen.
»Wussten Sie, dass Jacob seinem Vater bei dem Versuch behilflich war, über das Internet Satanisten aufzuspüren?«
Kristina zuckte zusammen und riss die Augen weit auf. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, sank dann aber in sich zusammen und nickte.
»Können Sie mir darüber mehr erzählen?«
Kristina nickte erneut, wie ein kleines, wohlerzogenes Mädchen, aber bis sie mit ihrer schwachen Stimme zu sprechen begann, dauerte es eine Weile.
»Sein Vater kam auf diese Idee. Nach dem Brand. Sie hatten die Sommerkapelle niedergebrannt. Ich meine, die Satanisten …«
Sie beendete den Satz nicht und warf Irene mit ihren großen graublauen Augen einen hilflos-verzweifelten Blick zu. Zum ersten Mal hatte sie ausreichend viele Silben gesagt, sodass Irene ihren norrländischen Dialekt heraushören konnte. Wie kann diese Frau als Lehrerin arbeiten, fuhr es Irene durch den Kopf. Als hätte sie ihre Gedanken erraten, sagte Kristina:
»Ich bin krankgeschrieben, seit … dem Mord … den Morden.«
»Waren Sie an der Jagd auf die Satanisten ebenfalls beteiligt?«
»Nein. Ich kenne mich mit Computern nicht aus.«
Ihre Stimme erstarb. Sie sah auf ihre gefalteten Hände.
»Hatten Sie nach der Scheidung noch Kontakt zu Jacob?«
»Nein.«
»Haben Sie anschließend Sten oder Elsa noch getroffen?«
»Nein.«
Seltsam, wie mitgenommen sie wirkte, obwohl sie in den letzten neun Monaten offenbar keinen Kontakt mehr zu Jacob oder seinen Eltern gehabt hatte.
»Wann haben Sie das letzte Mal mit Jacob gesprochen?«
»Im Juli. Als alles vorbei war … nach …«
»Und wann haben Sie zuletzt von seinen Eltern gehört?«
»Im Juni. Sein Vater rief an und war … aufgebracht darüber … dass wir uns … dass wir uns …«
Leise und verzweifelt begann sie zu schluchzen.
Anscheinend brachte sie es nicht über sich, das Wort Scheidung auch nur in den Mund zu nehmen. Die entscheidende Frage näherte sich und verlangte nach einer Antwort. Irene gab Kristina Zeit, sich zu sammeln. Dann fragte sie:
»Warum haben Sie sich eigentlich scheiden lassen?«
Kristina reckte sich, holte tief Luft und antwortete dann ausatmend:
»Er wollte keine Kinder.«
Das war nicht die Antwort, die Irene erwartet hatte. Kristina sah sie nicht an, sondern fixierte einen Punkt hinter ihr. Sie biss sich auf die Unterlippe, um deren Zittern zu verhindern.
»Aber er war doch Lehrer. Er muss Kinder doch gemocht haben?«, erwiderte Irene dumm.
»Das schon. Aber er wollte keine eigenen.«
Seltsam. Irene dachte angestrengt nach, konnte das Ganze aber nicht einordnen.
»Hatte er andere Frauen?«, fragte sie, weil ihr nichts Besseres einfiel.
»Nein.«
Kristina saß wieder mit gebeugtem Kopf da, als warte sie auf ein Urteil oder eine Strafe.
Erst jetzt bemerkte Irene das Motiv des gestickten Bilds über dem Fernseher. Es war ein Christusbild. Die Lichtgestalt hob die Hände segnend dem Betrachter entgegen. Irene drehte den Kopf zur Seite und schaute durch die halb offene Tür ins Schlafzimmer. Über dem Kopfende des Betts hing ein schlichtes, helles Holzkreuz. Im Übrigen waren die Wände leer.
»Haben Sie oder Ihre Schwester dieses schöne Bild gestickt?«, fragte Irene und nickte in Richtung des
Weitere Kostenlose Bücher