Tod im Pfarrhaus
schaufelte sie die Suppe in sich hinein und verdrückte sämtliche Brote.
Sammie unternahm einen halbherzigen Versuch, unterernährt und elend zu wirken, aber Irene weigerte sich hartherzig, ihm eines ihrer Brote abzugeben. Unwirsch befahl sie ihm Platz unter dem Tisch. Murrend legte er sich wieder hin und schaute sie mit flehenden Augen durch die Tischplatte aus Glas an. Sicher zum tausendsten Mal bedauerte es Irene, dass sie sich damals beim Kauf der Couchgarnitur nicht für den rustikalen Tisch aus massiver Kiefer entschieden hatten.
»Schön, dich essen zu sehen, Liebes.«
Krister verlor das Interesse an den Nachrichten, als es zur Wirtschaft kam.
»Ich habe mittags nichts als eine Pizza gegessen und ein paar Tassen Kaffee getrunken.«
»Da können deine Kollegen ja von Glück sagen, dass wenigstens deine Koffeinzufuhr gesichert war!«
Krister sagte das in breitestem Dialekt. Da er in Säffle aufgewachsen war und seine Verwandtschaft immer noch dort lebte, klang sein Värmländisch immer noch sehr echt.
»Danke für dein Verständnis!«
Irene hatte versucht, ihren Kaffeekonsum einzuschränken, war aber kläglich gescheitert. Sie war davon nur müde und gereizt geworden. Da die Summe der Laster angeblich immer konstant bleibt und sie kaum was trank und auch nicht rauchte, hatte sie sich damit abgefunden, dass sie kaffeesüchtig war.
Krister wurde wieder ernst.
»Katarina hat nämlich kaum was von der Suppe gegessen. Bestenfalls zehn Erbsen und ebenso viele Möhrenwürfel«, sagte er.
»Wieso denn das? Sonst hat sie doch immer Appetit? Nach dem Training müsste sie doch wahnsinnigen Hunger haben.«
»Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, an einem Miss-West-Coast-Wettbewerb teilzunehmen.«
»Miss …! Etwa einem Schönheitswettbewerb?«
»Genau. Sie hat sich offenbar bereits angemel det, und jetzt ist sie in irgendein Vorortsfinale gekommen. Gewinnt sie, kommt sie in die Endrunde.«
Irene fehlten die Worte. Sie versuchte zu verarbeiten, was ihr Mann da gerade gesagt hatte. Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, sich an einem Schönheitswettbewerb zu beteiligen, und dass eine ihrer Töchter genau dieses vorhatte, erschien ihr gleichermaßen unbegreiflich. Obwohl sie zugeben musste, dass Katarina schöner war als sie in ihrer Jugend. Aber deswegen musste sie doch noch lange nicht bei einem Schönheitswettbewerb antreten! Obwohl sie die Antwort bereits ahnte, stellte sie die Frage:
»Kann sie deswegen nichts essen, weil sie Miss West Coast werden will?«
»Sie hält sich für zu dick.«
Zu dick! Katarina war genau wie ihre Mutter ein Meter achtzig groß, wog aber sicher zehn Kilo weniger. Irene galt als schlank. Katarina war schon fast mager, fand Irene.
»Wo ist sie jetzt?«
»Beim Jiu-Jitsu-Training. Sie ist sicher jeden Augenblick zurück.«
Irene saß da und versuchte, das Essen und die Neuigkeit über die Karriere ihrer Tochter als Schönheitskönigin zu verdauen. Dann fiel ihr plötzlich ihre Arbeit wieder ein.
»Ich muss wahrscheinlich morgen nach Karlstad. Aber abends bin ich wieder zurück.«
»Hm«, erwiderte ihr Mann zerstreut, ganz versunken in die regionalen Nachrichten.
KAPITEL 7
Irene nahm einen Bus des Unternehmens Säfflebussen vom Nils Ericsonplatsen. Das war bedeutend billiger als mit dem Auto und außerdem weniger ermüdend. Sie hatte sich vorgenommen, sich während der Fahrt zu entspannen und zu lesen. Mit der Göteborgs-Posten, einem eben erst gekauften Taschenbuch, einer Thermoskanne Kaffee und zwei belegten Broten bestieg sie kurz nach zehn den Bus. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Die Temperatur betrug nur fünf Grad, aber es war zu spüren, dass es im Verlauf des Tages milder werden würde. Vielleicht würden sie endlich den ersten Frühlingstag erleben. Die Vögel, die in den Büschen vor dem Präsidium zwitscherten, schienen jedenfalls an den Frühling zu glauben.
Weder die Zeitung noch das Buch hatte sie aufgeschlagen, da war sie schon eingenickt.
Sie erwachte, als der Bus den Bahnhof von Säffle verließ. Mit vor Müdigkeit klammen Fingern goss sie Kaffee in die Verschlusskappe der Thermosflasche und trank. Es war bereits Mittag, und die beiden schon lappigen Käsebrote schmeckten himmlisch.
Sie saß da, schlürfte den letzten Kaffee und dachte an das Telefongespräch mit Jacob Schyttelius’ Exfrau, das sie am Morgen geführt hatte.
Irene hatte gegen halb acht angerufen. Nach nur zweimaligem Klingeln sagte eine Frauenstimme:
»Ja,
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