Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Pfarrhaus

Tod im Pfarrhaus

Titel: Tod im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
Vom Netzwerk:
dicht, und auf den Bürgersteigen wimmelte es von Leuten, die einkauften. Glen verlangsamte das Tempo und bog in eine Seitenstraße ein. Er fuhr fort:
    »Er ist jetzt auf der psychiatrischen Abteilung eines Gefängniskrankenhauses. Er hat wegen einiger ungewöhnlich brutaler Morde und Vergewaltigungen gesessen. Einige Taten waren Auftragsarbeiten, andere einfach zum Vergnügen.«
    Glen parkte an der Bordsteinkante. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, sagte er leise:
    »Ned hat offensichtlich etwas zu lange keine Luft mehr gekriegt, während Sie mit ihm gerungen haben. Er wird wahrscheinlich überleben, aber wegen des Sauerstoffmangels im Gehirn bleibende Schäden davontragen. Die Schädigung des Gehirns könnte allerdings auch von einer Überdosis hervorgerufen worden sein. Er hatte einen extrem hohen Morphinpegel im Blut, außerdem ist er schon sehr lange Fixer. Die Drogen und sein ausschweifendes Leben haben ihm ziemlich zugesetzt. Der Schlächter ist mit ziemlicher Wucht gegen die Wind-Schutzscheibe geknallt und hat schwere Schädelverletzungen davongetragen. Auch er wird bleibende Schäden haben, falls er überlebt. Und, Irene …«
    Glen machte eine Pause und suchte den Blick von Irene. Erst als er ihr in die Augen schaute, sagte er:
    »Neben dem Schlächter wurde ein langes Messer gefunden, mit dem er schon auf den Taxifahrer eingestochen hatte. Es war noch blutig.«
    Raub. Vergewaltigung. Ein Messer zwischen die Rippen, vielleicht sogar Mord. Das hätte sie erwartet, wenn es ihr nicht gelungen wäre, sich zu befreien. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Knie zu zittern begannen, als sie aus dem Auto stieg. Obwohl es nur dreizehn Grad warm war, lief ihr der Schweiß den Rücken hinunter.
     
    Doktor Fischers Praxis lag ein Stück vom Lärm der Oxford Street entfernt in einem hübschen Gebäude. Alle Häuser in dieser Seitenstraße waren aufwändig und einfühlsam renoviert worden.
    Sie hatten durch die Gegensprechanlage ihre Namen gesagt und wurden ins Entrée vorgelassen. Dieses war im viktorianischen Stil gehalten, viel Marmor und dunkle Mahagonischnitzereien. Irene war erleichtert, dass der Aufzug neu und groß genug für zwei Personen war.
    Ein kräftiger Mann Ende Fünfzig erwartete sie, als sie aus dem Fahrstuhl stiegen. Sein dichtes, stahlgraues Haar war zurückgekämmt, und er trug einen kurz geschnittenen grauen Vollbart. Der hellgraue Anzug war an Schultern und Hüften etwas knapp, wirkte aber teuer. Sein Gesicht war breit und energisch. Beim Lächeln zeigte er kräftige Zähne, seine graublauen Augen blieben jedoch kalt. Trotz seiner eleganten Kleider fand Irene, dass er mehr wie ein Großwildjäger als wie ein Arzt aussah. Über die Oberkante seiner randlosen Brille hinweg sah er sie durchdringend an.
    »Die Inspektoren Thomsen und Huss, wenn ich das richtig sehe. Ich bin Doktor John Fischer. Treten Sie ein.«
    Er begrüßte sie mit einer angedeuteten Verbeugung, gab ihnen aber nicht die Hand. Stattdessen deutete er hinter sich. Sie schritten durch eine dunkle Diele in ein kleineres Wohnzimmer, offensichtlich eine Art Wartezimmer. Es war mit Antiquitäten möbliert, die sehr gut zum Stuck an der Decke und den Bleiglasfenstern passten. Auf dem Boden lagen Teppiche, die Irene, die sich damit nicht auskannte, für echt hielt. Alles ließ erkennen, dass das hier keine normale Praxis war. Wahrscheinlich waren die Rechnungen dementsprechend.
    »Rebecka will, dass wir uns hier unterhalten«, sagte Doktor Fischer.
    Der Arzt öffnete eine Tür. Er ging auf eine Frau zu, die in einem Sessel am Fenster saß, und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    Das Licht fiel von der Seite auf Rebeckas rechte Gesichtshälfte. Irene sah, dass sie bedeutend magerer war als auf den Fotos vom Weihnachtsfrühstück. Sie trug ein Polohemd und einen schwarzen Hosenanzug aus einem dünnen Stoff, der sehr elegant war. Soweit Irene das sehen konnte, trug sie keinen Schmuck. Das Haar war lang und ungeheuer dicht, allerdings vollkommen stumpf, es schien, als sei es schon lange nicht mehr gewaschen worden. Es stand ihr, dass sie ein paar Kilo abgenommen hatte. Ihre vollen Lippen und hohen Wangenknochen kamen so besser zur Geltung. Die Augen in dem bleichen Gesicht waren groß und leer, ließen jedoch trotzdem irgendwo tief unten Unruhe und Angst erahnen. Irene begriff plötzlich, warum Christian Lefèvre sie hatte abschirmen wollen. Er wollte sie vor ihrer Angst und ihrem Schmerz bewahren.
    »Rebecka ist wie ihr Vater …«,

Weitere Kostenlose Bücher