Tod im Pfarrhaus
Rückbank. Ihr Angreifer hielt sie immer noch gepackt. Mit aller Kraft gelang es ihr, den Kopf zur Seite zu drehen, aber das Einzige, was sie sah, war das Fenster nach vorne und dahinter ein rasierter Stiernacken mit einer großen schwarzen Tätowierung.
Was wollten diese Männer? Wer waren sie? Als Irene merkte, dass der Angreifer ihre Brust abtastete, war sie sich sicher, dass er sie vergewaltigen wollte, aber als er dann versuchte, das Goldei zu packen, begriff sie, dass sie es mit einem Raubüberfall zu tun hatte.
Sie wurde ganz ruhig und vollkommen klar im Kopf. Er ließ ihre Oberarme los und hielt seinen linken Arm in einem Würgegriff um ihren Hals. Instinktiv spannte Irene die Halsmuskeln an und packte seinen Arm mit einer Hand. Dann rammte sie ihm mit aller Kraft den Ellbogen des anderen Arms in den Bauch. Er bekam keine Luft mehr und lockerte sofort seinen Würgegriff. Blitzschnell befreite sich Irene aus seinen Armen und setzte sich neben ihm auf. Sie segnete den Umstand, dass die Londoner Taxis hinten so geräumig waren. Ire ne lockerte ihren Griff um den Arm des Mannes nicht im Geringsten, drehte ihn auf seinen Rücken und zwang ihn so, auf dem Bauch liegen zu bleiben. Seine andere Hand machte sie unschädlich, indem sie sich, ein Knie zwischen seinen Schulterblättern, auf seinen Rücken setzte. Mit der freien Hand drückte sie seinen Arm auf den Boden des Taxis. Wenn er sich nur im Mindesten regte, würde sie den Druck erhöhen, und das war dann nicht von schlechten Eltern. Er lag vollkommen still.
Das alles hatte nur ein paar Sekunden gedauert. Der Stiernacken am Steuer hatte noch gar nicht recht begriffen, was passiert war, nur dass etwas passiert war.
»Verdammt, was machst du?«, schrie er.
Er versuchte, gleichzeitig nach hinten und nach vorne zu schauen, was natürlich schwierig war. Irene hörte ihn halblaut fluchen. Das Auto geriet ins Schlingern und begann zu schleudern. Es legte sich immer mehr auf die Seite, und die Reifen quietschten. Irene fiel es immer schwerer, den Mann unter sich festzuhalten. Plötzlich kam das Taxi mit einem dumpfen Krachen zum Stillstand. Stiernacken trug keinen Sicherheitsgurt, er knallte mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe und sank über dem Lenkrad zusammen. Der Mann unter Irene gab ebenfalls keinen Mucks mehr von sich. Sie hatte schon Angst, er hätte aufgehört zu atmen. Vielleicht hatte sie zu hart zugedrückt, als der Wagen die Vollbremsung gemacht hatte. Der Griff war gefährlich, und es war schon vorgekommen, dass Festgenommene ihn nicht überlebt hatten. Irene beugte sich nach vorne. Erleichtert stellte sie fest, dass er noch atmete, er schien nur ohnmächtig geworden zu sein.
Es gelang Irene, die Autotür zu öffnen, ein herbeigeeilter Mann half ihr aus dem Wagen. Er stützte sie mit einer Hand. In der anderen hielt er ein Handy.
»… nur ein Wagen … an der Ecke Westbourne und Lancaster Gate, in einen Laternenpfahl gefahren … die Frau ist unverletzt, bei den Männern sieht es schlimmer aus … Sie sollten einen Krankenwagen schicken …«
Als sich der Mann umdrehte, um zu fragen, wie es zu dem Unfall gekommen war, war die große Frau verschwunden.
KAPITEL 13
Obwohl Irene sich vorgenommen hatte, nicht mit Kopfschmerzen aufzuwachen, tat sie genau das. Das lag allerdings nicht am Alkohol, sondern an einer großen blauen Beule auf der Stirn, die pochte und schmerzte. Der handfeste Beweis, dass der Überfall in der Nacht wirklich stattgefunden hatte und nicht nur ein schrecklicher Albtraum gewesen war. Die Beule mit der kleinen Schürfwunde war direkt am Haaransatz und, wenn sie den Pony föhnte, kaum zu sehen.
Sie hatte sich vom Unfallort davongeschlichen, ein langes nächtliches Verhör wäre wirklich zu viel gewesen. Stattdessen hatte sie sich zu ihrem Hotel geschleppt und war auf ihr Zimmer gegangen. Trotz der aufwühlenden Ereignisse war sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Vielleicht war sie auch bewusstlos geworden? Schwankend ging Irene nach unten ins Frühstückszimmer, das im Keller lag. In rascher Folge trank sie mehrere Tassen Pulverkaffee. Sie war immer noch satt von Donnas Geburtstagsessen. Das Einzige, was sie runterbrachte, war ein halbes Käsebrötchen. Langsam ließen auch die Kopfschmerzen nach, und sie konnte wieder einigermaßen klar denken.
Natürlich musste sie der Polizei erzählen, was vorgefallen war. Das einzig Vernünftige war, Glen zu verständigen. Sie hatten verabredet, dass er sie um zwanzig vor
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