Tod im Schärengarten
war.
Das Fach hatte ein wenig geklemmt. Sie musste mit einem Brieföffner die verborgene Feder herunterdrücken, um es öffnen zu können. Darin lag ein Umschlag. Er enthielt Bankbelege, Unterlagen zu einem Konto im Ausland. Auf dem Umschlag stand der Name der Bank.
Es war keine Kunst gewesen, im Internet herauszufinden, dass es sich um eine der größten Banken Liechtensteins handelte. Dieselbe Bank, auf die der amerikanische Konzern die Zahlung für Oscar Martinssons Patent geleistet hatte, über dessen Existenz sie von den beiden Polizisten freundlicherweise aufgeklärt worden war.
Oscar, Oscar, dachte sie, du hast der Versuchung nicht widerstehen können. Nicht einmal du, nach all den Jahren als Rechtsanwalt.
Kein Wunder, dass du in der letzten Zeit so nervös warst. Hast du es bereut? Hattest du Angst, jemand könnte dir auf die Schliche kommen? Hattest du Gewissensbisse und brauchtest weißes Pulver, um die Nerven zu beruhigen?
Der Umschlag hatte genügend Informationen enthalten, damit sie begriff, wie alles zusammenhing. Den Rest hatte der zuvorkommende Bankangestellte beigesteuert.
Da lagen also zehn Millionen Dollar, abzüglich der Kosten für ein Swan-Boot von einundsechzig Fuß, auf einem ausländischen Konto. Die Bezahlung für ein auf dem Papier wertloses Patent, das unter der Hand für einen geradezu lächerlichen Betrag den Besitzer gewechselt hatte.
Mehrere Millionen Dollar waren eine Menge Geld, aber nichts im Vergleich zu den Unsummen, die sich damit verdienen ließen. Und ein Tropfen auf den heißen Stein verglichen mit dem Erlös, den eine öffentliche Versteigerung des Patents eingebracht hätte.
Und der Einzige, der hätte protestieren können, der wusste, was das Patent wirklich wert war, war tot.
Eva trank noch einen Schluck Champagner und ließ die letztenTropfen über die Zunge fließen, während sie aus dem Flugzeugfenster blickte. Nur noch wenige Minuten, dann würden sie an die Startposition rollen und sie würde dieses Land für immer verlassen.
Sie bereute nicht, dass sie Diana Söder anonyme Mails geschickt hatte. Sie hätte schwören können, dass Oscar von der Söder umgebracht worden war. Eine abgelegte Geliebte, die die Ausflüchte und Lügen ihres verheirateten Liebhabers leid war und sich gerächt hatte. Wer sonst?
Wie hätte sie denn ahnen können, dass diese verrückte Isabelle von Hahne ihn ermordet hatte. Auf die warteten jetzt viele Jahre Knast. Im Moment lag sie wohl noch im Krankenhaus und wartete auf ihren Prozess.
Nein, Eva hatte kein schlechtes Gewissen. Sie hatte Diana Söder vom ersten Augenblick an gehasst. Nicht zuletzt, weil Oscar zum ersten Mal seit vielen Jahren wirklich interessiert schien.
Auf die Idee mit den Mails hatte sie der Buchprüfer gebracht, der den Hotmail-Account seiner Tochter benutzt hatte. Die Befriedigung, als sie die Worte formulierte, hatte den bohrenden Schmerz in ihrer Brust ein wenig gelindert. Jedes Mal, wenn sie »senden« anklickte, hatte sie sich etwas besser gefühlt. Der Tipp an die Boulevardpresse hatte auch geholfen.
Die Stewardess kam wieder vorbei und fragte, ob sie noch Champagner wolle. Jetzt lächelte Eva freundlich und hielt ihr das Glas hin. Die helle Flüssigkeit glitzerte hübsch im Sonnenlicht.
Fast acht Millionen Dollar.
Das würde mehr als locker ausreichen, um sich eine geräumige Wohnung in Südfrankreich zu kaufen. Sie wollte eine große Terrasse, das wusste sie schon. Von den restlichen Millionen konnte sie bis an ihr Lebensende sorgenfrei leben.
Später würde sie die Wohnung in Stockholm verkaufen. Wenn sich alles ein bisschen beruhigt hatte. Wenn die sechsmonatige Krankschreibung ausgelaufen war.
Es war nicht schwer gewesen, den Arzt dazu zu bringen, sie arbeitsunfähig zu schreiben. Er war sehr sympathisch und verständnisvoll gewesen. Sicher könnte sie die Zeit auch noch mal verlängern, wenn sie darum bat. Die Kanzlei hatte ihr Blumen geschickt. Niemand hatte ihren Zustand angezweifelt.
Der Verkauf der Stockholmer Wohnung würde auch noch mal einnettes Sümmchen einbringen. Vielleicht konnte sie eine kleine Firma an der Riviera aufmachen. Für eine geschäftstüchtige Frau gab es viele Möglichkeiten.
Aber jetzt würde sie erst mal das Leben genießen. Sich etwas gönnen. Vielleicht einen Liebhaber nehmen. Einen leidenschaftlichen Franzosen, der wusste, wie man eine Frau verwöhnte.
Danke, Oscar, dachte sie und hob das Glas zu einem stummen Toast. Ich wusste, dass du letztlich doch für
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