Tod im Schärengarten
immer noch keine Schmerzen, fühlt sich aber benommen und schwach. Vor ihren Augen flimmert es leicht. Ihre Glieder werden gefühllos, aber der Kopf liegt schön weich auf dem Moos. Wird sie hier unter dem Baum sterben? Der Gedanke macht ihr keine Angst. Trotz allem ist sie zufrieden. Sie hat die ganze Zeit die Zügel in der Hand behalten. Hat Oscar um seinen Triumph gebracht. Und Martin hat seine Strafe bekommen.
Isabelle lächelt leicht, bevor sie in die Bewusstlosigkeit abgleitet. Das Letzte, was sie hört, ist eine Männerstimme, die ruft:
»Hier ist sie, ich habe sie gefunden!«
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Sonntag, fünfte Woche
Kapitel 89
Nora saß zusammengekauert in einem der Korbsessel auf der Veranda. Sie hatte über eine Stunde lang mit ihren Söhnen Monopoly gespielt. Nach und nach hatte Adam alle guten Straßen aufgekauft, und Simon und sie mussten aufgeben.
Als sie fertig waren, hatten die Jungs Geld für Eis bekommen. Mit zufriedenen Gesichtern waren sie zum Kiosk geradelt.
Am Abend zuvor hatte Henrik eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.
»Wir können so nicht weitermachen«, hatte er gesagt. »Ruf mich an, wir müssen reden. Bitte, Nora.«
Sein Ton war versöhnlich gewesen und er hatte unglücklich geklungen. Als würde er jeden Moment anfangen zu weinen.
Er hatte recht, sie sollte ihn anrufen. Sie mussten sich aussprechen. Wenn nicht anders, dann den Kindern zuliebe.
Sie griff zum Telefon und wählte die Nummer seines Handys.
Die Rufsignale eilten davon.
»Henrik Linde.«
»Ich bin’s.«
»Warte, ich muss nur kurz rausgehen. Wir haben Visite.«
Dann wollte er wirklich mit ihr sprechen. Sonst nahm er ihre Anrufe nie an, wenn Visite war.
»Nora.« Pause. »Es tut mir unglaublich leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war. Ich bereue es zutiefst.«
»Ja.«
Was sollte sie auch sagen? Dass sie sich in ihren wildesten Fantasien nicht vorgestellt hätte, er könnte sie schlagen? Dass sein Verhalten etwas in ihrer Ehe zerstört hatte?
Dass eine schmerzende Wange nichts war im Vergleich zu der Wunde in ihrem Herzen.
Dass sie ihn verlassen wollte.
»Kannst du mir verzeihen? Wir müssen das aus der Welt schaffen. Denk an die Jungs. Ich vermisse euch so sehr.«
Sie sah ihre Söhne vor sich. Ihre sonnenverbrannten Gesichter, ihr erwartungsvolles Lächeln. Ihre Fragen, wann Papa zurück nach Sandhamn kam.
»Das wird niemals wieder vorkommen, Nora, ich schwöre es dir. Ich mache alles, was du willst, egal was. Aber denk an die Jungs. Unsere Jungs. Ihr bedeutet mir alles. Das musst du verstehen.«
Die Tränen brannten in ihren Augen. Adam und Simon, die ihren Papa so sehr liebten. Die ihn in der letzten Zeit kaum gesehen hatten.
»Nora.« Seine Stimme bettelte.
Er klang jünger am Telefon, so wie damals vor einer halben Ewigkeit, als sie sich kennenlernten. Als sie Studenten waren und wahnsinnig, atemlos ineinander verliebt.
»Ich war so wütend und verwirrt. Als hätte jemand anderes Gewalt über mich gehabt. Ich bin nicht so, du weißt das.«
Sie strich sich vorsichtig mit den Fingern über die Wange. Sie tat nicht mehr weh, verfärbte sich aber langsam.
Ihren Eltern hatte sie gesagt, sie sei gegen eine Tür gelaufen. So banal, dass es schon grotesk war.
Ein Mann schlägt seine Frau nicht, dachte sie. Als Frau geht man nach dem ersten Schlag, das muss man tun. Man bleibt nicht bei einem Mann, der Gewalt anwendet.
»Liebling, wir müssen das hinter uns lassen. Müssen weitergehen. Ich liebe dich doch.« Er schien mit den Tränen zu kämpfen. »Kannst du mir nicht verzeihen? Bitte, Nora.«
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Kapitel 90
Thomas nickte dem uniformierten Polizisten zu, der auf einer Bank vor dem Zimmer saß. Er öffnete die Tür und sie traten ein.
Es war ein typisches Krankenhauszimmer – der einzige Farbtupfer war die orangefarbene, noppige Wolldecke des staatlichen Gesundheitswesens, die gefaltet über dem Fußgeländer lag.
Margit und Thomas betrachteten die Frau im Bett. Sie hatte das Gesicht abgewandt. Ein Tropf war an ihrem linken Arm befestigt, der auf der Bettdecke lag. Langsam drehte sie ihnen das Gesicht zu. Sie sah abgezehrt aus, aber ihr Blick war hart.
Isabelle von Hahne hatte darauf gewartet, dass sie kamen. Ingmar hatte sie nicht besucht.
»Sie wissen, warum wir hier sind?«, fragte Thomas. »Wir möchten mit Ihnen über die Morde an Oscar Juliander und Martin Nyrén sprechen.«
Sie nickte.
»Können Sie uns erzählen, was passiert ist?«
Sie nickte wieder, sagte aber
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