Tod im Schärengarten
hatte eine Ewigkeit gedauert. Stocksteif und mit geballten Fäusten hatte er dagestanden, ohne eine Miene zu verziehen, obwohl er innerlich vor Qual und Ungeduld brannte.
Der Prüfer hatte auf seine Papiere geblickt und sich etwas notiert. Dann hatte er seine Brille abgenommen, sie mit einem kleinen Tuch geputzt und sie wieder aufgesetzt, ehe er den Mund öffnete.
»Ich glaube tatsächlich, der Kandidat hat bestanden«, sagte er schließlich und lächelte.
Jetzt stand er hier, frisch examiniert und akzeptiert, und sah zu, wie seine Eltern sich näherten.
Sein Vater kam in Hut und dunkelblauem Paletot, obwohl es draußen fast zwanzig Grad warm war. Seine Mutter trug ein helles Leinenkostüm, das ihre Schneiderin genäht hatte, und dazu einen kleinen Hut aus demselben Stoff, verziert mit einer lachsroten Seidenrose.
»Mein Junge«, rief seine Mutter aus und fiel ihm um den Hals. »Wie schick du aussiehst. Du warst so tüchtig!«
Ihre Augen glänzten. Als sie ihn auf die Wange küsste, roch er den Sherry in ihrem Atem. Sie hat sich nicht beherrschen können, dachte er. Nicht einmal heute.
»Gratuliere, mein Sohn«, sagte der Vater hölzern. »Hast du es doch noch geschafft. Das freut mich.«
»Danke, Vater«, murmelte er und machte automatisch einen Diener.
»Hier.« Der Vater steckte ihm ein Kuvert zu. »Gönn dir was richtig Gutes, man ist schließlich nur einmal jung«, sagte er und zwinkerte ihm vielsagend zu.
Er wich vor dem plumpen Anbiederungsversuch des Vaters zurück, nahm das Kuvert aber an.
Ein Stück entfernt sah er seinen jüngeren Bruder mit dem Blasrohr Erbsen schießen. Eine Erbse traf eine Dame im lila Seidenkostüm direkt auf den Hintern und sie stieß einen kleinen spitzen Schrei aus, konnte aber nicht entdecken, woher der Schuss gekommen war. Sein Bruder feixte.
Er hielt Ausschau nach Elsa, sie hätte auch mitkommen sollen. Ihr hatte er es zu verdanken, dass er die Schule überhaupt bis zum Ende durchgehalten hatte.
Ohne Elsas bedingungslose Liebe hätte er nicht überlebt.
»Wo ist Elsa?«
Die Mutter sah ihn verständnislos an. »Zu Hause natürlich. Sie bereitet den Empfang vor. Wer sollte denn sonst Essen machen und den Tisch decken?«
Sie brach in ein perlendes Lachen aus, das ein wenig zu laut und zu schrill war.
Ja, wer sonst? Du jedenfalls nicht, du kümmerst dich nur um den Sherry, dachte er ungewohnt böse.
Einer seiner Kameraden kam zu ihm und packte ihn am Arm.
»Komm, ich will dich meinen Eltern vorstellen. Und meiner kleinen Schwester. Sie möchte dich so gern kennenlernen.«
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Freitag, erste Woche
Kapitel 26
Auf dem Weg zur Polizeistation beschloss Thomas, sich zu erkundigen, ob die Analyse der Kugel abgeschlossen war. Der Rechtsmediziner hatte sie wie üblich an die Spurensicherung in Stockholm geschickt, die sie ihrerseits ans Staatliche Kriminaltechnische Labor in Linköping weitergeleitet hatten.
Normalerweise hätte die Kugel schon Mittwoch dort eintreffen sollen. Im schlechtesten Fall gestern. Deshalb bestand Hoffnung, dass das SKL inzwischen mit der Untersuchung fertig war. In der Regel dauerte es nicht lange, die Ergebnisse mit den Datenbanken abzugleichen.
Er zog sein Mobiltelefon aus der Jackentasche und tippte mit einer Hand die Nummer in Linköping ein. Schon nach einmaligem Klingeln meldete sich eine Frau, deren Namen Thomas nicht kannte. Er stellte sich kurz vor und erklärte, weshalb er anrief.
»Da haben Sie aber Glück, dass Sie jetzt anrufen«, sagte Gunilla Bäcklund. »Zehn Minuten später, und Sie hätten bis Montag früh warten müssen. Ich war gerade auf dem Sprung zu einer Besprechung. Und freitags ab eins macht jeder seins, nicht wahr?« Sie lachte über ihren eigenen Witz.
Thomas verkniff es sich, darauf hinzuweisen, dass sie mitten in einer Mordermittlung steckten, bei der jede Information von Wert so schnell wie möglich weitergegeben werden musste. Stattdessen fragte er kühl, was sie ihm mitteilen könne. Dann stellte er die Lüftung aus. Sie blies doch nur warme Luft herein. An eine Klimaanlage war nicht zu denken gewesen, als er das Auto kaufte, aber jetzt tat es ihm leid, dass er sich keine geleistet hatte. Das Auto war von der Morgensonne aufgeheizt wie eine Sauna.
»Wir haben eine gründliche Analyse vorgenommen«, antwortete Gunilla Bäcklund, deren Fröhlichkeit durch Thomas’ kurz angebundene Frage etwas gedämpft worden war. »Auch hier haben Sie wieder Glück. Wir wissen, dass die Kugel aus einem Gewehr stammt, und
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