unentbehrlich.
Während er zu einem der prominentesten Anwälte Schwedens aufstieg, wurde sie zur wichtigsten Voraussetzung für seinen Erfolg. Sie überwachte den Zustrom neuer Klienten und machte es sich zur Aufgabe, ihm jeden Schritt, den er tat, zu erleichtern. Wenn sie auf einem Empfang waren, achtete sie darauf, dass er immer ein gefülltes Glas in der Hand hatte. Wenn sein Oberhemd zu knittern begann, zauberte sie ein neues hervor. Wenn er für zwei Termine gleichzeitig gebucht war, richtete sie es so ein, dass alle Seiten zufrieden waren.
Manchmal hatte sie mit dem Gedanken gespielt, einfach wegzugehen, die Abhängigkeit zu durchbrechen und sich eine neue Existenz aufzubauen. Die Jahre um die vierzig waren besonders schwer gewesen. Ihre Chancen auf eine eigene Familie schwanden rapide, und sie erkannte, dass der Preis für die tägliche Dosis Oscar aus langfristiger Einsamkeit bestand. Trotzdem brachte sie es nicht fertig, ihn zu verlassen.
Eva Timell erhob sich mit einem Seufzer, um sich ein Glas Wasser zu holen. Die Migräne pochte. Sie sollte die rosa Tablette doch lieber nehmen, sonst würde der Schmerz ekelhaft werden.
Sie ging zur Teeküche, die sich etwa zehn Meter weiter den Flur hinunter befand. Im Kühlschrank standen Flaschen mit kaltem Mineralwasser. Sie nahm eine heraus und öffnete sie mit einem Kapselheber, der die Form eines Paragrafenzeichens hatte. Mit dem Ramlösa in der Hand ging sie zurück in ihr Zimmer.
Sie setzte sich an den Computer und sah auf den Bildschirm. Es waren eine Menge E-Mails hereingekommen, seit die Nachricht von Oscars Ermordung durch alle Medien gegangen war. Die ersten Tagenach dem Mord hatte sie völlig apathisch zu Hause im Bett gelegen, aber jetzt musste sie sich zusammenreißen und die Eingänge durchsehen.
Ihre eigenen Mails zu lesen, dauerte eine gute Stunde. Viele von denen, die Oscar gekannt hatten, kannten auch sie nach all den Jahren. Sie hatten ihre Nachrichten an Eva geschickt, um Sylvia nicht zu behelligen.
Anschließend nahm sie sich Oscars Mail-Eingangskorb vor. Als sie etwa dreißig Nachrichten gelesen hatte, kam sie zu einer, die sich von den anderen unterschied. Die Adresse bestand aus einer Handvoll Buchstaben und Ziffern, die nichts über die Identität des Absenders verrieten: ACV
[email protected]. Kein Betreff. Sie klickte sie an. Der Text erschien auf dem Bildschirm und sie las die wenigen Zeilen.
Oscar,
du hattest versprochen, dass der Betrag spätestens heute auf dem Konto ist. Ich kann jetzt nicht mehr länger warten.
Benny
Eva Timell starrte nachdenklich auf den Text. Das war nicht der Ton, der normalerweise zwischen zwei Anwälten herrschte. Wenn die Mail von einer anderen Kanzlei geschickt worden wäre, hätte es außerdem aus dem Absender hervorgehen müssen.
Die Nachricht konnte natürlich von jemandem sein, der in die Konkurse involviert war, die Oscar verwaltet hatte, aber trotzdem war der Text irgendwie merkwürdig. Der letzte Satz klang unangenehm. Beinahe drohend.
Sie sah auf das Sendedatum der Mail. Letzten Freitag, spätabends. Derselbe Tag, an dem Oscar nach Sandhamn gefahren war. Zwei Tage, bevor er erschossen wurde.
Sie griff nach der Wasserflasche, aber die war leer. Langsam ging sie zur Teeküche, um Nachschub zu holen. Sollte sie die Polizei über die Mail informieren? Konnte das Oscars Andenken auf irgendeine Art beschädigen?
Sie wog die verschiedenen Alternativen gegeneinander ab.
Am klügsten war wohl, die Sache der Polizei zu übergeben. Was, wenn Oscars Mörder die Mail geschickt hatte?
Die weiße Studentenmütze, Symbol für Hoffnung und Freiheit, segelte durch die Luft, und er sang aus voller Kehle, zusammen mit den anderen frischgebackenen Abiturienten der Östra Real.
»Wir haben das Abi geschafft, wir haben das Abi geschafft, wir haben das Abi geschafft, verdammt, was sind wir gut!«
Die Erleichterung darüber, bestanden zu haben, versetzte ihn in Euphorie, und in seinem Körper kribbelte es wie Brause. Mir steht die ganze Welt offen, dachte er.
Er hätte es nie verwunden, wenn er durchgefallen wäre und beschämt dem Hausmeister hätte hinterherdackeln müssen, der die Kandidaten, die in der letzten Prüfung scheiterten, durch die Hintertür hinausließ. Durch die durften sie mit eingezogenem Schwanz hindurchschlüpfen, während Verwandte und Freunde vergebens auf dem Schulhof warteten.
Lieber sterbe ich, hatte er gedacht, während er darauf wartete, dass der Prüfer sein Urteil fällte.
Es