Tod im Schärengarten
die Runde. »Der jetzige Vorsitzende tritt ab, und Oscar ist tot. Bleibt unser zweiter Vizevorsitzende. Wir müssen Ingmar bitten zu kandidieren.«
Einige der Anwesenden wanden sich auf ihren Stühlen.
Ingmar war kein selbstverständlicher Nachfolger von Hans Rosensjöö. Er war ein geschätzter Schriftführer und seit vielen Jahren Mitglied des Vereins, aber er war keine Führungspersönlichkeit. Er war sympathisch und ein sozialer Mensch mit einem großen Netzwerk an Kontakten, aber er hatte keine Visionen. Außerdem war er bekanntermaßen konfliktscheu. Ingmar hatte sich noch nie irgendwo durchgesetzt. Am allerwenigsten in seiner Ehe.
Aber im Moment gab es keine Alternative.
Eine vorsichtige Anfrage unter den erfahreneren Vorstandsmitgliedern hatte zu ebenso vorsichtigen Absagen geführt. Ein Vorstandsvorsitz kostete viel Zeit und Kraft. So etwas musste länger überlegt werden als den einen Monat, der bis zur Wahl blieb.
Einen Kandidaten aus dem weiteren Umfeld zu nehmen, der nicht schon im Vorstand saß, war undenkbar. Das hätte den altehrwürdigen Traditionen völlig widersprochen. Niemand wäre auch nur auf die Idee gekommen, so etwas vorzuschlagen.
»Ich persönlich habe so meine Bedenken, dass Ingmar der richtige Mann wäre, aber andererseits – wer sonst?«, sagte Anders Bergenkrantz. »Immerhin gehört Ingmar seit vielen Jahren dem Vorstand an. Er ist mit unseren Traditionen vertraut. Er ist einer von uns.«
Mit solchen Fragen mussten meine Vorgänger sich nie herumschlagen, dachte er missmutig.
Die einzige Frau im Vorstand erhob wieder ihre Stimme.
»Ich möchte einen Vorschlag machen. Wir sollten Hans Rosensjöö bitten, weitere zwölf Monate als beigeordneter Vorstandsvorsitzender im Amt zu bleiben, als Stütze für Ingmar. Auf diese Weise sorgen wir für Kontinuität und lösen gleichzeitig einen Teil des Problems.«
Das war eine kluge Lösung, dachte Bergenkrantz mit widerwilliger Bewunderung, und vermutlich genau das, was in dieser verfahrenen Situation das Beste war. Er hatte zwar noch nie gehört, dass in der Geschichte des Vereins so etwas gemacht worden wäre, aber im Moment blieb ihnen kaum eine andere Wahl.
Die anderen Vorstände am Tisch nickten beifällig. Zumindest gab es niemanden, der offen Widerspruch äußerte.
»Also dann«, sagte Bergenkrantz abschließend, »halte ich hiermit für das Protokoll fest: Der Wahlausschuss empfiehlt einstimmig, Ingmar von Hahne zum nächsten Vorsitzenden des KSSS zu wählen.«
[Menü]
Kapitel 37
Eigentlich hatte er keine gute Erklärung dafür, dass er mitten in der Woche zur Marina hinausfuhr. Vielleicht war es die Sehnsucht nach Urlaub, die sich bemerkbar machte. Noch anderthalb Wochen, dann erwartete ihn eine lange Segeltour durch den Stockholmer Schärengarten.
Oder vielleicht war es auch nur der schöne Abend, der ihn nach Bullandö hinaustrieb, wo seine geliebte Omega vertäut lag. Das Segelboot war eine Quelle ständiger Freude für ihn.
Martin Nyrén stellte das Auto wie üblich auf dem großen Parkplatz am Kai ab. Der war gut gefüllt, die meisten Leute waren bereits mit ihren Booten draußen.
Die Marina war groß und beliebt, viele Skipper wählten sie wegen der Nähe zum offenen Meer. Man kam leicht und schnell hinaus und musste nicht durch das Insel-Labyrinth des inneren Schärengartens navigieren, das sparte Zeit. Jetzt lag der Hafen allerdings schon ziemlich verlassen da. An den langen Pontonbrücken schaukelten nur noch vereinzelt Boote auf den Wellen.
Er hatte keine lange Tour geplant. Wollte nur ablegen und für ein paar Stunden hinaussegeln. Das milde Wetter und den langen Sommerabend genießen, bevor die Dunkelheit hereinbrach und daran erinnerte, dass die Tage jetzt im Juli schon kürzer wurden. Auf dem Weg vom Büro hatte er Sushi gekauft, und zwei Flaschen Bier waren auch in der Tasche. Das gehörte sich so auf See.
Erwartungsvoll ging er auf den äußersten Ponton zu. Dort lag seine Omega zwischen zwei Y-Schranken vertäut mit dem Bug zum Steg. Er hatte sie Aurora getauft, vielleicht nicht sehr originell, aber er mochte den Namen, er passte zu einem morgenfrühen Segler. Die Göttin der Morgenröte begleitete ihn in den stillen Stunden, wenn der Schärengarten gerade erst erwachte und die leichte Morgenbrise winzige Schaumspuren in die Wasseroberfläche zeichnete.
Er hatte überlegt, ob er über Nacht in einer Bucht festmachen underst am nächsten Tag zurückkehren sollte. Wenn er früh aufstand, konnte er
Weitere Kostenlose Bücher