Tod im Schärengarten
nach Lökholmen hinausgefahren, wo er bis zum nächsten Samstag bleiben würde, und Henrik hatte Simon mitgenommen, um mit der Wurfangel auf Heringsjagd zu gehen.
»Du trinkst doch einen Tee mit?«, fragte Nora und nahm zwei große gemusterte Becher aus dem Regal, ohne auf Antwort zu warten. »Was für einen möchtest du, normal oder mit Vanillegeschmack?«
Sie holte Milch aus dem Kühlschrank und öffnete den Schrank, um den Honig herauszunehmen.
»Earl Grey, wenn du hast«, sagte Thomas und nahm zwei Löffel aus der Besteckschublade. Er war in Noras Küche fast ebenso zu Hause wie in seiner eigenen. Kein Wunder, wenn man sich seit Jahrzehnten kannte.
»Möchtest du was dazu?« Nora öffnete den Brotbehälter, der am Ende der hellen Anrichte stand.
Thomas schüttelte den Kopf.
»Lass nur, danke. Hab schon zu viel Kuchen gegessen.« Er klopfte sich auf den Bauch.
Nora verdrehte die Augen. Sie fand, dass Thomas immer noch aussah wie vor fünfzehn Jahren, als er Handball spielte.
Sie setzten sich an den Küchentisch und Nora schob ihm einen Becher mit dampfendem Tee hin.
»Hast du was herausgefunden?«, fragte Thomas.
Nora klappte ihren Laptop auf, der neben ihr auf dem Küchentisch stand.
»Da«, sagte sie und zeigte auf das Dokument, in dem sie ihre Erkenntnisse zusammengestellt hatte. »Lies selbst.«
Thomas beugte sich vor, um besser sehen zu können.
Nora hatte genau beschrieben, was das Bankgeheimnis rechtlich und inhaltlich bedeutete. Thomas stellte schnell fest, dass der Begriff fast ebenso lange existierte, wie es Banken gab. In wenigen Wortenzusammengefasst lief es darauf hinaus, dass eine Bank nicht verpflichtet war, einer dritten Seite gegenüber Angaben über ihre Kunden zu machen, weder schriftlich noch mündlich. In vielen Staaten war dies per Gesetz geregelt.
In den letzten Jahren allerdings waren die Steuerparadiese durch die zunehmende Wirtschaftskriminalität und die Fälle von internationalem Terrorismus in Bedrängnis geraten. Die USA und die EU hatten großen politischen Druck ausgeübt, um auch diese Länder zur Zusammenarbeit zu bewegen.
»Wo hast du das gefunden?«
»In juristischen Datenbanken. Einige davon befassen sich mit internationaler Gesetzgebung und Rechtsprechung auf diesem Gebiet.«
»Du meine Güte.«
»Ich vermute, es geht darum, dass Juliander irgendwelche Guthaben im Ausland hatte?« Nora sah Thomas fragend an.
Er nickte bestätigend.
»Behalte es bitte für dich. Wir wollen auf keinen Fall, dass etwas davon nach außen dringt.«
»Vielen Dank für dein Vertrauen«, erwiderte Nora trocken. »Glaubst du, ich gehe damit hausieren? Aber wenn du mich bittest, mich in Fragen des Bankgeheimnisses zu vertiefen, werde ich ja wohl wenigstens den Grund erfahren dürfen.«
Sie trank einen Schluck Tee und blickte Thomas herausfordernd an.
»Natürlich. So war das nicht gemeint«, sagte er lächelnd.
Nora klickte eine neue Seite in ihrem Laptop auf und fuhr fort:
»Hieraus geht hervor, dass Liechtenstein eines von diesen Steuerparadiesen ist. Die Behörden anderer Staaten erhalten keinerlei Einblick.«
»Führt das nicht international zu Unmut?«
»Genauso ist es. Die EU hat zum Beispiel die Schweiz immer wieder bedrängt, und in den letzten Jahren sind die Schweizer tatsächlich zunehmend kooperationsbereiter geworden, besonders was Gelder aus dem Drogenhandel und schwarze Konten betrifft.«
Thomas studierte den Text auf dem Bildschirm.
»Gibt es irgendeinen Weg, an Informationen über eventuelle Konten von Juliander zu kommen?«
»Das ist nicht so einfach. Sie haben zwar das Bankgeheimnis etwas gelockert, aber das gilt vor allem im Zusammenhang mit Terrorismus und Rauschgifthandel.« Sie schwieg einen Moment. »Du musst mir schon genauer sagen, worum es geht, sonst kann ich dir nicht helfen.«
Thomas war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, Informationen weiterzugeben, die bisher keiner außerhalb der Ermittlungsgruppe kannte.
Andererseits konnte Nora ihnen mit einem Fachwissen helfen, an das auch jemand von der Polizei nicht so ohne Weiteres herankam, und wenn, dann würde es sehr viel länger dauern. Und gerade diese Kompetenz war auf der Polizeistation Nacka definitiv nicht vorhanden.
»Traust du mir nicht?«, fragte Nora und auf ihrer Stirn zeigte sich eine kleine ärgerliche Falte. »Wenn ich die Fragestellung nicht kenne, kann ich auch keine vernünftige Antwort liefern.«
Sie griff nach der Teekanne und goss sich einen halben Becher ein. Dann zeigte sie
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