Tod im Schärengarten
mit der Kanne auf Thomas’ Becher, und er nickte dankbar. Sie schenkte ihm ebenfalls nach.
»Du hast recht«, sagte Thomas. »Also, es geht um Folgendes.«
Rasch fasste er den Stand der Dinge zusammen und beschrieb, wie sie an Julianders ausländische Kreditkarte gekommen waren.
Nora hörte aufmerksam zu. Als er ihr seine Theorie über geheime Guthaben in Liechtenstein darlegte, machte sie ein besorgtes Gesicht.
»Dann habt ihr ein Problem.«
»Wieso?«
Nora scrollte die Seite auf dem Bildschirm hinunter. »Es muss der begründete Verdacht eines Verbrechens vorliegen, damit die Behörden in Liechtenstein mit dem Ausland zusammenarbeiten.«
»Der liegt doch vor«, wandte Thomas ein.
»Eine ausländische Kreditkarte und ein geheimes Bankkonto sind in ihren Augen kein Verbrechen. Für sie ist Steuerflucht nichts besonders Gravierendes. Höchstens ein Vergehen, für das es maximal sechs Monate Haft gibt. Das reicht nicht, um das Bankgeheimnis aufzuheben.«
»Was bedeutet das?« Thomas wurde langsam nervös und Nora bestätigte seine schlimmen Vorahnungen.
»Dass es sehr schwer sein wird, Informationen über Julianders Karte und sein Konto zu erhalten.«
»Was kann man da machen?«
Nora trank einen Schluck Tee und überlegte.
»Ich denke, du solltest mit einem Staatsanwalt von der Wirtschaftskripo sprechen. Einem, der Erfahrung mit dem Kontakt nach Liechtenstein hat.«
Thomas verzog das Gesicht und Nora las den Text auf dem Bildschirm noch einmal durch, kam aber zu keinem anderen Ergebnis als dem, das sie ihm eben genannt hatte.
»Da ist noch etwas, das du wissen solltest«, sagte sie. »Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis man Material aus Liechtenstein bekommt.«
»Was heißt das genau?«
»Etliche Jahre. Zuerst muss das schwedische Justizministerium ein formelles Amtshilfeersuchen an sein ausländisches Pendant richten.«
»Und dann?«
»Dann nimmt das Justizministerium in Liechtenstein Kontakt zu den ausführenden Behörden seines Landes auf. Als Nächstes ist ein Beschluss des Landgerichts erforderlich, um das Material beschlagnahmen zu können. Gegen diesen Beschluss kann Widerspruch eingelegt werden. Über drei Instanzen.«
Thomas stieß einen Pfiff aus.
»Außerdem ist ein besonderer Beschluss nötig, damit das Gericht das betreffende Material überhaupt bei sich behalten darf. Gegen diesen Beschluss kann auch dreimal Revision eingelegt werden.«
»Das ist doch absurd.«
Nora lächelte ihn schief an. »Es kommt noch besser. Selbst wenn man es schafft, dass dieser Beschluss rechtsgültig wird, ist ein weiterer spezieller Beschluss nötig, damit das Material an die schwedischen Behörden ausgeliefert werden kann.«
Thomas stöhnte.
»Sag nichts. Auch gegen diesen Beschluss kann man dreimal Widerspruch einlegen.«
Nora nickte. »Stimmt. Insgesamt muss man also neun Instanzen erfolgreich überstehen, bevor irgendetwas ausgeliefert wird.«
»Wie lange dauert das?«
»Drei bis vier Jahre, schätze ich.«
Thomas begann langsam, alles Vertrauen in das Rechtssystem zu verlieren.
»Was noch?«, sagte er matt.
»Willst du es wirklich wissen?«
Er nickte.
»Üblicherweise sind an die Gerichtsbeschlüsse Bedingungen geknüpft. Das ausgelieferte Material darf nicht zu Steuerprüfungszwecken herangezogen werden. Du musst also deinen Antrag mit der Mordermittlung begründen, sonst bekommst du das Material trotzdem nicht.«
Es fiel Thomas schwer, Noras Erklärungen zu verdauen.
»Aha«, sagte er schließlich. Frustriert erhob er sich und lehnte sich an die Anrichte, während er überlegte. »Das sieht mir nicht nach einem gangbaren Weg aus, wenn ich dich richtig verstanden habe, also …«
Nora fiel ihm ins Wort.
»Was für eine Kreditkarte hatte er denn?«
»Ich glaube, eine Mastercard, oder vielleicht auch Visa. Wieso?«
»Du könntest mit der schwedischen Niederlassung der Kreditkartenfirma sprechen. Die Karte wurde zwar im Ausland ausgestellt, aber vielleicht helfen sie dir trotzdem. Zumindest so weit, dass ihr seht, welche Zahlungen geflossen sind.«
Natürlich. Follow the money.
»Eine andere Frage ist«, dachte Nora laut nach, »woher das Geld stammt. Also das, was auf dem geheimen Konto ist.«
»Weiter«, ermunterte Thomas sie. Das war genau die Frage, die sich die Ermittlungsgruppe auch gestellt hatte.
»Denn eine ausländische Kreditkarte ist doch eigentlich nur sinnvoll, wenn es dazu ein Konto gibt, auf dem entweder ein fester Geldbetrag liegt oder auf das laufend Zahlungen
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