Tod im Schärengarten
die oberste Kugel gesetzt.
Freudestrahlend umarmte Simon sie ganz fest.
»Du bist die beste Mama der Welt«, rief er aus.
Dankbar hielt er ihr seine Eistüte hin, um sie probieren zu lassen. Nora schüttelte den Kopf und lächelte ihn an.
»Ich habe doch selbst eins, Schatz. Trotzdem vielen Dank.«
Im selben Moment klingelte ihr Handy.
Das Eis in der einen Hand, versuchte sie, mit der anderen das Mobiltelefon aus der Tasche ihrer roten Shorts zu angeln. Als sie es geschafft hatte, sah sie Thomas’ Namen auf dem Display.
»Hallihallo«, meldete sie sich lachend. »Alles klar bei dir in der Stadt? Wie kommt ihr mit den Ermittlungen voran?«
»Langsam«, erwiderte Thomas. »Viel zu langsam.«
Nora schleckte am Eis, das mit erschreckender Geschwindigkeit dahinschmolz. Ein großer Tropfen Schokoladeneis landete trotz aller Vorsicht auf ihren Shorts. Typisch.
»Kommst du am Wochenende raus?«, fragte sie.
»Ja. Du, kannst du mir bei einer Sache helfen?«
»Sicher, worum geht’s?«
»Ich brauche ein paar Informationen zum Bankgeheimnis. Genauer gesagt, zum Bankgeheimnis in Liechtenstein.«
»Liechtenstein«, echote Nora lachend. »Willst du Geld waschen?«
»Nicht direkt.« Thomas’ Stimme war ernst. »Könntest du für mich ein bisschen nachforschen? Ich müsste mehr über die Banken in dem Land wissen. Können wir uns Sonntag auf eine Stunde zusammensetzen?«
»Sonntag.« Nora überlegte einen Moment. »Warte mal kurz«, sagte sie und drehte sich zu Henrik um, der völlig versunken die Sportbeilage las. »Was machen wir übermorgen?«, flüsterte sie und schleckte eifrig an ihrem Eis.
»Nichts Besonderes«, sagte er, ohne den Blick von den rosa Seiten zu nehmen. »Wieso?«
»Thomas fragt, ob ich ihm bei einer Sache helfen kann. Ist das in Ordnung? Du gehst nicht segeln?«
Henrik schüttelte den Kopf und blinzelte in die warme Nachmittagssonne.
»Nein.«
Er verschwand wieder in den Tiefen der Sportwelt, ohne noch mehr zu sagen.
Nora hielt das Handy wieder ans Ohr.
»Sonntag geht.«
»Gut, dann machen wir das so. Kommst du zu mir nach Harö rüber, oder soll ich nach Sandhamn kommen?«
»Es ist einfacher, du kommst hierher. Dann brauche ich meinen Laptop nicht übers Wasser zu schippern. Wie viel Uhr?«
»So gegen drei?«
»Gut. Bis dann.«
Nora legte auf und steckte das Handy nachdenklich zurück in die Hosentasche.
Liechtenstein. Ein Name, der im Zusammenhang stand mit illegalen Bargeldgeschäften. Was das wohl mit dem Mord an Oscar Juliander zu tun hatte?
Sie blickte auf ihr Eis, das sich in der Waffeltüte in eine zähflüssige Pfütze verwandelt hatte. Oder vielmehr der klägliche Rest, der noch nicht auf ihre Shorts getropft war. Ein Glück, dass es die Waschmaschine gab, die beste Freundin von Eltern mit kleinen Kindern. Noras Mutter hatte früher die Wäsche unten am Kai waschen müssen, als es noch keine Waschmaschinen auf Sandhamn gab. Erst in den Sechzigerjahren war im Hafen eine öffentliche Waschküche eingerichtet worden, in der die Frauen waschen konnten.
Sie blickte an sich hinunter und seufzte. Am besten, sie ging auf kürzestem Weg nach Hause und zog sich um.
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Samstag, zweite Woche
Kapitel 41
Im selben Moment, als er auf der Grillparty ankam, wurde Martin Nyrén klar, dass es ein Fehler gewesen war, die Einladung anzunehmen.
Eigentlich hatte er das von Anfang an gewusst, aber er hatte es sich trotzdem nicht verkneifen können. Das hier war eine der wenigen Möglichkeiten, Indi während des langen Monats Juli zu sehen.
Außerdem wäre es aufgefallen, wenn er abgesagt hätte.
Wie ihn diese Urlaubswochen quälten. In der Stadt konnte man sich viel leichter treffen, ohne dass es Verdacht erregte. Man brauchte nur Überstunden oder ein Geschäftsessen vorzuschützen, und schon konnte man sich davonschleichen. Aber jetzt gab es keine Ausreden, zu denen man greifen konnte. Nur eine unendlich lange Wartezeit darauf, dass der Sommer vorbeiging.
Er blieb stehen und betrachtete die Szene vor sich.
Vor dem Haus war ein großes Partyzelt aufgestellt worden. Durch die Öffnung konnte er lange Tische mit karierten Tischdecken erkennen. Zwei mächtige Lautsprecher standen ebenfalls im Zelt, vermutlich für die Disco später am Abend.
An einer Ecke des Rasens waren ein paar professionelle Grills aufgebaut. Dahinter standen zwei Männer mit weißen Kochmützen und ebensolchen Schürzen. Offenbar sollte es Lamm am Spieß geben, denn etwas, das genauso aussah, rotierte langsam
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