Tod im Schärengarten
Frau hinüber. Britta war mit der Zeit zwar ganz schön rundlich geworden und interessierte sich inzwischen fast nur noch für die Enkelkinder, aber sie wäre niemals auf die Idee gekommen, so mit ihm umzuspringen, wie Isabelle es mit Ingmar tat. Ihn wie einen Laufburschen in die Diele hinauszuschicken, um die nächsten Gäste hereinzuholen. Was waren das denn für Sitten. Das hätte Britta mit ihm nicht machen können.
Er hob das Glas Martini an die Lippen und trank einen Schluck.Der Cocktail war hervorragend, genauso trocken, wie er ihn liebte. Der gute Ingmar war zwar nicht Herr im eigenen Haus, aber Drinks mixen, das konnte er.
Im selben Moment kehrte Ingmar von Hahne mit den neu eingetroffenen Gästen zurück.
Es waren der Vorsitzende des Klubkomitees und seine Frau, Arvid und Kristina Welin. Gefolgt vom Vorsitzenden des Wahlausschusses, Anders Bergenkrantz, und seiner Frau Ann-Sofie.
Die Runde war vollzählig.
Der Geist Oscar Julianders schwebte über der Dinnergesellschaft.
Alle am Tisch waren beim Begräbnis gewesen, und die Damen hatten einige taktvolle Bemerkungen über die geschmackvolle Zeremonie gemacht. Man hatte über die schönen Blumengestecke gesprochen und über die anrührende Trauerrede der Pfarrerin.
Dann kehrte Schweigen ein.
Hans Rosensjöö brach das Eis und warf die Frage in den Raum, die sich alle anderen insgeheim auch stellten.
»Hat jemand etwas gehört, wie die Polizei vorankommt? Ist doch merkwürdig, dass sie den Mörder nicht finden. Jetzt sind schon über zwei Wochen vergangen. Ich begreife nicht, was die Leute eigentlich die ganze Zeit machen.«
Er ließ den Blick durch das hellblaue Esszimmer schweifen. Der Tisch war mit geerbtem Porzellanservice gedeckt und mit silbernen Kandelabern geschmückt. In der Mitte stand eine Vase mit einem geschmackvollen Blumenstrauß. Ingmar, der neben seiner Frau saß, hatte Britta als Tischdame. Ihm gegenüber saß Kristina. Das bedeutete, dass er vor dem Dessert eine kurze Dankesrede würde halten müssen, etwas, was er im Laufe der Jahre schon viele Male getan hatte.
Arvid Welin räusperte sich.
Er war ein eloquenter Mann mit einem verblüffend wachen Verstand. In jungen Jahren hatte er bissige politische Glossen in der Studentenzeitung geschrieben, aber mit zunehmendem Alter war seine Gesinnung sehr viel konservativer geworden. Erst nach etlichen Schnäpsen verfiel er manchmal noch in einen radikalen Ton, der an die wilden Sechziger erinnerte.
»Offenbar fehlt ihnen der richtige Wind in den Segeln«, sagte er. »Aber was habt ihr erwartet? Heutzutage wird doch überall eingespart. Man sieht ja nicht mal mehr einen Streifenwagen auf den Straßen.«
»Ich frage mich, ob sie denjenigen, der den armen Oscar umgebracht hat, jemals kriegen«, sagte Kristina Welin.
»Ja, es ist ein richtiger Skandal, dass sie mit ihren Ermittlungen noch nicht weitergekommen sind«, sagte Anders Bergenkrantz.
»So dürft ihr nicht reden«, erwiderte Britta Rosensjöö vorwurfsvoll und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Selbstverständlich werden sie Oscars Mörder fangen, das wäre ja noch schöner. Wenn ihr mich fragt, war das einer aus der Unterwelt. Oscar war schließlich Anwalt. Es gibt sicher viele Verbrecher, die sich gern an ihm gerächt hätten.« Sie schüttelte sich leicht.
»Oscar war Insolvenzverwalter, Liebes«, sagte ihr Mann nachsichtig. »Mit Strafsachen hatte er nichts zu tun. Ich glaube kaum, dass er Kontakt zu Kriminellen hatte.«
»Was denn sonst?«, beharrte Britta. »Andere Feinde hatte Oscar doch nicht. Und denk doch nur an seine wunderbare Frau. Die arme Sylvia, es zerreißt mir das Herz, wenn ich an sie denke. Das alles ist so dermaßen tragisch.«
»Habt ihr schon mal daran gedacht, dass es vielleicht ein Missverständnis war?«, sagte Ann-Sofie Bergenkrantz mit wichtiger Miene. Ihr Doppelkinn zitterte leicht und sie zog diskret eine Falte ihres viel zu engen Kleides glatt.
»Ich habe von einem Mann gelesen, der erschossen wurde, als er auf der Elchjagd war«, fuhr sie fort. »Vielleicht war es jemand, der Seevögel schießen wollte und einfach nur in die falsche Richtung gezielt hat.«
»Aber meine Liebe«, sagte Isabelle von Hahne, »du glaubst doch nicht im Ernst, dass jemand mitten in der Regatta Seevögel jagt?«
Sie streckte sich nach der Wasserkaraffe und schenkte sich und ihrem Tischherrn ein, während sie vor sich hin lachte.
Ann-Sofie Bergenkrantz war sicher, dass alle mitbekommen hatten, wie geringschätzig das
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