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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Fleisch stammte von einer Kuh, die sie aus einem Korral ein paar Kilometer von hier gestohlen hatten. Das Tier war mit Stilbestrol gefüttert worden, um das Wachstum anzuregen. Das Fleisch war schwammig und enthielt offensichtlich keine wertvollen Nährstoffe. Stilbestrol war seit über zwei Jahrhunderten als karzinogene Substanz bekannt; aber uns blieb keine andere Wahl, als das Fleisch zu essen. Durch die hektischen Bemühungen, die Lebensmittelerzeugung dem Wachstum der Bevölkerung anzupassen, gab es auf diesem Planeten keine unverfälschten Nahrungsmittel mehr, wie unsere Vorfahren sie gekannt hatten, höchstens vielleicht noch in ein paar entfernten Winkeln der Erde.
    Aber so schlecht das Essen war, so gut gefiel mir die Gesellschaft, in der ich mich befand.
    Diese Ausgestoßenen akzeptierten mich jetzt ohne weiteres als einen der ihren. Ich hütete mich aber, sie wissen zu lassen, daß ich lesen konnte, denn ich fand bald heraus, daß alle, Jess eingeschlossen, Analphabeten waren. So machte ich die erste Bekanntschaft mit dem Leben der Wanderer.
    Ich kann nicht behaupten, daß ich einer der ihren wurde. Ich blieb auch nicht lange bei ihnen. Aber es war für mich eine überaus bedeutsame Erfahrung, und einige der Lektionen in der Kunst des Überlebens, die ich von Jess und Garry und Haagman, und den anderen lernte, haben sich erst kürzlich als nützlich erwiesen. Und die Ahnung von Freiheit, die dieses Leben mir vermittelte -, das war ein so neues Gefühl, daß es mich zuerst erschreckte; aber seit damals ist es in mir immer stärker geworden.
    Noch während sie die letzten Bissen aßen, packten die Männer ihre wenigen Habseligkeiten zusammen. Nacheinander gingen sie in die zunehmende Dunkelheit hinaus. Als auch ich aufstand, hielt Jess mich zurück.
    »Über einen Punkt muß ich von dir noch Auskunft haben, Knowle«, sagte er. »Unser größtes Problem ist nicht der Feind, sondern die Krankheit. Wir nehmen jederzeit Leute auf, die Krebs haben, denn das ist nicht ansteckend, aber solche mit Tuberkulose oder anderen Krankheiten müssen wir manchmal wieder wegschicken. Als man dich zu mir brachte, warst du offensichtlich in einem Zustand völliger Verwirrung, du schriest immer wieder, daß dir irgend jemand etwas wegnähme und anderes unverständliches Zeug. Du wirst mir jetzt sagen müssen, woran du leidest.«
    Ich senkte den Kopf und suchte nach Worten. Die Wahrheit ist, daß ich mich meiner Krankheit schämte.
    »Wenn es irgendein geistiger Defekt ist, haben wir nichts dagegen. Die meisten von uns sind sowieso nicht mehr richtig bei Verstand.«
    Ich sagte leise: »Als Kind zog ich mir im städtischen Waisenhaus eine Lebensmittelvergiftung zu. Ein Arzt stellte fest, daß dadurch ein Teil meines Gehirns und die Netzhaut der Augen geschädigt worden sind. Ich glaube, er nannte es ein Flimmerskotom, und dann noch etwas, woran ich mich nicht mehr erinnere. Deshalb hat man mich auch verhaftet und zur Landarbeit verurteilt - ich hatte nämlich eines Tages mitten auf der Straße eine Vision, rannte in den Strom der Fahrzeuge hinein, und ein Bus mußte auf den Bürgersteig ausweichen. So schickten sie mich aufs Dorf.«
    Er sagte mit sanfter Stimme: »Du mußt sowohl im Geist als auch im Fleisch einer von uns werden. Das ist unsere einzige Überlebenschance. Wir spüren sehr genau, wenn jemand uns verraten will. Wir werden den Zeitpunkt wissen, zu dem du wirklich mit Leib und Seele ein Wanderer geworden bist, und dann darfst du dir eine Frau nehmen, und wir werden für dich sorgen, gleichgültig, was geschieht; keiner von uns wird jemals einen anderen im Stich lassen oder verraten.«
    »Du brauchst nicht zu denken, daß ich euch verraten könnte. Zu der Sorte gehöre ich nicht«, sagte ich entrüstet.
    Unendlich gelassen blickte er mir in die Augen. Es war, als ob sein Blick tief in mein Inneres drang.
    »Wenn du lange genug bei uns warst, wirst du lernen, dich selbst zu erkennen. Das ist es nämlich, was das armselige Leben, das ein Wanderer führen muß, lebenswert macht; man kann wohl Wachtposten entfliehen, aber niemals sich selbst. Wenn dieser Tag gekommen ist, dann wirst du auch erkennen, welche Art Verrat ich meine.« Später sollte ich mich voll Bitterkeit dieser Worte erinnern, aber damals sagten sie mir kaum etwas. Ich will hier nur eins feststellen: Ich bin überzeugt davon, daß in dieser zerlumpten Horde von Desperados all das überlebte, was an ethischen Werten aus der alten Zeit übriggeblieben war,

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