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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Schreiben braucht man Mut, und Mut wächst mehr durch das eigene Beispiel als durch das anderer. Man braucht Mut, denn beim Schreiben legt man Geständnisse ab, und mein größtes, schwerstes Geständnis gehört in diesen Abschnitt. Ich liebte die Wanderer, und doch verriet ich Jess. Außerdem habe ich jetzt ein Gefühl für das Schreiben bekommen; ich habe diese alte Kunstform praktisch wiedererweckt. Die Beherrschung von Syntax und Semantik gestatten mir, meine Gedanken für mich allein niederzuschreiben. Vielleicht aber werden die Überlebenden dieses Krieges wieder zu Höhlenbewohnern, und ihre Sprache wird auch wieder das geschriebene Wort sein, so daß sie wieder lesen lernen müssen. (Natürlich hege ich diese Hoffnung in meinem Herzen.)
    Aber werden sie mich verstehen? Habe ich in meinem Bericht zuviel oder zuwenig gesagt? Hätte ich die Winter in der Stadt beschreiben sollen und die Idiotie meiner Verhaftung, das Schneeräumen im Dorf, die Verzweiflung, das Wissen, daß das Leben immer schrecklicher wurde? Hätte ich mehr über meine Halluzinationen schreiben sollen, die mir damals so wirklich vorkamen und heute, nach vielen Jahren, so abstoßend, hätte ich es so machen sollen, wie ich es in einigen der alten Bücher gesehen habe, und Fußnoten kritzeln?
    All diese Fragen können nicht mehr beantwortet werden. Die Konventionen fielen wie Kartenhäuser zusammen. Auf der einen Seite des Abgrunds ist der Geist, ewig und unberührt, auf der anderen der Körper, der davonrennt, flüchtet und blutet. Es ist besser, Stil und Aufbau der Abenteuerromane zu kopieren, die ich unter den alten Büchern fand (und die durch den Abstand von zweihundert Jahren zu den aufschlußreichsten Wegweisern zu jenem Zeitalter des Überflusses geworden sind), und mich nur an den Körper zu halten. Der Geist kann allein für sich sorgen, wie er es ja vom Anbeginn an tun mußte; er ist nicht so schlau wie der Körper, aber er kann sich durchsetzen. Und wenn ich gar nicht mehr widerstehen kann, werde ich mich selbst zu Wort melden und mein eigener Herausgeber und Kommentator sein.
    Das ist meine Einstellung, und nun kann man sich vielleicht meine Gefühle ausmalen: Ich lag auf den Säcken und blickte zu den zerlumpten Männern empor. Niemand sprach, auch ich brachte kein Wort heraus, da mich noch immer die Wahnvorstellung, meinen Arm verloren zu haben, lähmte. Mein Atem ging rasselnd und beschleunigte sich, als der Anführer der Wanderer an mich herantrat und mich betrachtete.
    Die Gesichter der anderen Männer und Frauen sahen aus wie die von Menschen unserer Zeit: hager und ausgemergelt durch die ständige Unterernährung und die Härten des Daseins, Gesichter, in denen man den festen Entschluß las, dem Leben soviel wie möglich abzuringen, und jene Sorte Intelligenz, die man als listig zu bezeichnen pflegt. Die Frauen, die durch ihre grobe Kleidung fast geschlechtslos wirkten, sahen kaum sanfter aus als die Männer. Obwohl es im Zimmer halb dunkel war, konnte ich ihre Gesichter deutlich erkennen. Der Türeingang war zu einer primitiven Luftschleuse umgebaut worden, um den größten Teil der herantreibenden Giftschwaden abzuhalten. Ein paar der Leute waren wie Landarbeiter gekleidet.
    Das Gesicht des Anführers unterschied sich von den anderen. Über den ausgemergelten Zügen lag ein Hauch von Askese, der die Hagerkeit vergessen ließ. Er fiel sofort auf, nicht nur als ein Mensch, der viel gelitten hatte, denn das traf auch auf die anderen zu, sondern als ein Mensch, dessen Geist das Leid zu etwas Höherem sublimiert hatte. Bevor ich ihn zum erstenmal sah, hatte ich nie über den Unterschied zwischen reinem Erdulden und Ausdauer nachgedacht. Obwohl ich noch niemals ein Gesicht wie das seine gesehen hatte, wußte ich sofort, daß ich von ihm Barmherzigkeit erfahren würde.
    Er hatte einen Klebestreifen mitgebracht und flickte damit den Riß, den seine Leute in meinen Anzug geschnitten hatten. Während dessen blickte er mich durchdringend an.
    »Sie sind krank, mein Freund«, sagte er. »Sie haben phantasiert. Schieben Sie die Gesichtsplatte hoch, damit ich Sie besser sehen kann. Sie sind ein Landarbeiter, nicht wahr?«
    »Ich muß ins Dorf zurück«, sagte ich. »Ich komme zu spät. Sie wissen, was das heißt - entweder die Zelle oder die Gaskammer.«
    »Sie täten besser daran, bei uns zu bleiben«, sagte er.
    Eine der Frauen sagte: »Wir können es uns nicht leisten, ihn wieder laufenzulassen, Jess. Vielleicht verrät er uns an die

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