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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Wachtposten. Wir müssen ihn bei uns behalten.«
    Jess! Das war also Jess! In allen Gefängnisdörfern war das der Name, den man erwähnte, wenn man über die Wanderer sprach. Für die Landarbeiter bedeutete er Hoffnung, für die Aufseher Furcht. Ich wußte, daß er schon zur Legende geworden und auf seinen Kopf eine Belohnung ausgesetzt war.
    Jess sagte zu mir: »Wir alle waren einmal Landarbeiter, Sträflinge, die zur Arbeit auf dem Land verurteilt waren, genau wie Sie. Wir sind geflüchtet. Wir haben uns befreit, und jetzt gehorchen wir keiner anderen Ordnung als unseren eigenen Gesetzen. Wollen Sie zu uns kommen?«
    »Wohin wollen Sie fliehen? Es gibt keinen Ort, der Zuflucht bietet«, sagte ich.
    »Das werden wir Ihnen zu gegebener Zeit mitteilen. Zuerst müssen wir wissen, ob Sie sich uns anschließen wollen.«
    Ich blickte auf meine Hände. In Wirklichkeit hatte ich bei der Beantwortung seiner Frage keine freie Wahl; Fragen, die einem Entscheidungsfreiheit ließen, gab es in dieser Welt nicht mehr. Ich wußte, daß es nur eine Antwort gab, wenn mir mein Leben lieb war; jetzt, da ich ihren Treffpunkt kannte, durfte man mich nicht ins Dorf zurücklassen. »Ich bleibe bei euch«, sagte ich.
    »Sein Traktor ist jedenfalls für uns von Nutzen«, sagte einer der Männer. »Den können wir gut gebrauchen.«
    »Nein«, sagte Jess. »Die Spur eines verlorenen Traktors läßt sich schnell finden; die Suche nach Menschen ist mühseliger, und außerdem sind Menschen nicht so viel wert. Wie heißt du, mein Freund?«
    »Knowle Noland.«
    »Nenn mich Jess - einfach Jess. Wir Wanderer sind eine Bruderschaft, und du wirst dich bald eingewöhnt haben. Das wenige, was wir haben, wird brüderlich geteilt.«
    »Ich habe deinen Namen schon gehört.«
    »Gut, Knowle, und jetzt geh und laß den Traktor an. Bring ihn auf einen Kurs, der quer durch die Farm führt, also weg von uns, dann spring heraus und komme zurück.«
    Mit steifen Fingern schloß ich die Gesichtsplatte.
    Alle starrten mich sekptisch und schweigend an. Ich könne ihr Mißtrauen fühlen. Wortlos drehte ich mich um und ging unter den nassen Decken hindurch, welche die Luftschleuse bildeten. Draußen sank die Stille des frühen Abends über die Ruinen der Stadt. Im Schutt hatten sich zwei Wachtposten versteckt; sie sahen mir nach, ohne etwas zu sagen.
    Ich passierte die Stelle, wo man mich überwältigt hatte, sie war nur ein paar Meter entfernt. Dann erreichte ich den Traktor, kletterte hinein und startete. Langsam fuhr ich rückwärts unter dem Vordach heraus und wendete den Traktor in Richtung auf die endlosen Felder.
    Ich hatte keine Ahnung, wie das Leben bei den Wanderern sein würde, ich wußte nur, daß es unvorstellbar hart sein mußte. Das Leben im Dorf hingegen kannte ich. Wenn ich jetzt schnell hinfuhr, würde ich vielleicht nur mit einer Woche in der Gaskammer bestraft werden. Gaskammer war unsere Bezeichnung für die Fabrik - in jedem Dorf gab es eine -, wo die Ernte abgeladen wurde, bevor sie von automatisch gesteuerten Lastwagen in die Stadt gebracht wurde. In der Fabrik wurden die Giftstoffe, mit denen die Ernte behandelt worden war, den Phosphaten, Kalium- und Magnesiumverbindungen, Insektenvertilgungsmitteln und Arsenpräparaten, mit starken Wasserstrahlen abgespült. Die Arbeit mit den Wasserwerfern und das Auslegen und Wenden der Ernte war an sich keine schwere Strafe, aber jede Woche in dieser giftigen Atmosphäre kostete einem ein Jahr Lebenserwartung. Roboter durften dort nicht arbeiten; ihre Schaltungen wurden angefressen, und überdies waren sie zu teuer, als daß man sie aufs Spiel setzen konnte.
    Während ich den Motor hochjagte, blickte ich zu den Ruinen zurück. Ich sah ein halbes Dutzend Köpfe, ein halbes Dutzend Gewehrläufe. Man bewachte mich. Sie würden schießen, falls ich versuchte, zum Dorf zu entkommen. Ohne weiter nachzudenken, fuhr ich an, klemmte ein Werkzeug gegen das Pedal der Brennstoffzuleitung und sprang ab. Einen Moment lang stand ich da, beobachtete, wie das Fahrzeug immer schneller wurde und in Richtung auf das offene Land davonfuhr, mitten durch ein Feld mit Krautköpfen. Dann ging ich zurück.
    »Ihr seid nicht so klug, wie ich eigentlich erwartet habe«, sagte ich zu Jess. »Die Spur des Traktors ist nicht zu übersehen.«
    »Wir verlassen den Ort in ein oder zwei Stunden, wenn es dunkel ist«, sagte er. »Und nun komm und iß mit uns. Du bist jetzt einer von uns.«
    Die Suppe bestand aus dünnem Gemüsewasser. Das

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