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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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wohl in einer viel niedrigeren Form und von den Umständen, unter denen sie leben mußten, zuschanden getrampelt, aber doch noch erkennbar. Und Jess sorgte dafür, daß die anderen nicht den Rest ihres menschlichen Anstands verloren. Ohne ihn wären einige von ihnen nicht viel besser als Wölfe gewesen.
    Bald wurde es ganz dunkel, und wir machten uns auf den Weg.
    Ich gesellte mich zu Garry, einem Mann mit sanfter Stimme, der nur selten lächelte. Mit freundlichem Schweigen akzeptierte er mich. Wir gingen alle zu zweit in einer auseinandergezogenen Reihe.
    Über uns besprühte ein einsamer Flugkörper die Felder. Wir kümmerten uns nicht um ihn. Er war elektronisch gesteuert und hatte keine Detektorgeräte. Wir entfernten uns von dem Dorf, aus dem ich gekommen war. Unruhe stieg in mir auf. Ich sehnte mich danach, in jene Welt zurückzukehren, die ich kannte, nach Hammer und der vertrauten Routine. Ich verspürte nicht den leisesten Wunsch, ein Wanderer zu sein, verdammt, kreuz und quer über die stinkende Erde zu wandern, ohne Hoffnung oder Heimat. Aber wie konnte ich dieser Bande entkommen?
    Die Wanderer bildeten innerhalb dieses riesigen Gefängnisses England eine freie Gemeinschaft. Da die Bedingungen auf den Feldern so lebensgefährlich waren, arbeiteten dort nur Männer und Frauen, die man eines »Verbrechens« überführt hatte. Um stets einen ausreichenden Nachschub an Landarbeitern zu haben, verschärfte sich die Gesetzgebung in den übervölkerten Städten in zunehmendem Maße. Aber einem Teil der Arbeiter gelang die Flucht aus den Dörfern, und sie schlossen sich zu Banden zusammen.
    Es bestand keine Hoffnung, daß sie jemals zu ihren Familien in den Städten zurückkehren konnten. Die Städte, die auf Plattformen sich hoch über das Land erhoben, illegal zu betreten, war so gut wie unmöglich. Und so zogen die Wanderer über das Land und lebten innerhalb ihres riesigen Gefängnisses so frei wie möglich, bis sie von Maschinen, Hunden oder Menschen aufgespürt und zu Tode gehetzt wurden.
    O ja, wir bewiesen, daß wir frei waren. Wir marschierten bis zum ersten Morgengrauen und kampierten dann in einer alten, nicht mehr gebrauchten Garage am Rande einer Autobahn. Eigentlich war der Marsch nicht sonderlich anstrengend gewesen, und doch war ich halbtot, denn ich war nicht mehr daran gewöhnt. Aber ich begriff jetzt, wieso sie eine Legende waren; sie kamen und gingen, wie es ihnen in den Sinn kam; sie hatten sich ein eigenes Wegenetz geschaffen; sie wanderten kreuz und quer über Land oder überwinterten an bestimmten Plätzen, tauchten auf und verschwanden wieder.
    »Wohin gehen wir?« fragte ich Garry.
    Er nannte den Ort, ohne weitere Angaben zu machen, als ob er mir nicht sonderlich traute. Er sagte mir, daß wir zwei Männer eskortierten, die lediglich auf der Durchreise waren. Sie waren aus dem Norden gekommen, und wir würden sie weiter südlich einer anderen Gruppe von Wanderern übergeben. Sie wollten weiter ans Meer und hofften, es würde ihnen gelingen, nach Afrika und damit in die Freiheit zu entkommen.
    »Gehen wir auch an die Küste?« fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf. Nach einigem Drängen beschrieb er die Küste, die ich noch nie gesehen hatte, und die See, die unaufhörlich gegen einen Wall aus Beton, Kunststoff und Metall schlug. Die alten Strände waren der Kulturerde-Herstellung zum Opfer gefallen.
    Er rollte sich zum Schlafen zusammen. So müde ich auch war, ich blieb wach, bis das Tageslicht hell durch die Risse in den Wänden unseres Zufluchtsorts drang.
    In den folgenden Tagen lernte ich mehr über ihr Leben kennen. Obwohl ich es bewunderte, hielt mich eine unbestimmte Furcht davon ab, mich als ein Teil dieses Lebens zu fühlen.
    Jess machte niemals den Versuch, für sich Sonderrechte in Anspruch zu nehmen, obwohl er ständig den anderen half. Er lebte sein eigenes verzweifeltes Leben mitten unter Feinden. Das gleiche galt für die Treuesten unter seinen Anhängern. Ein paar der Männer - jetzt, da ich ihre Gesichter besser unterscheiden konnte und sie mir nicht mehr so fremd waren, sah ich, daß die Gruppe ungefähr 25 Mitglieder hatte - erzählten mir, daß es relativ einfach war, frei zu bleiben, solange man sich von den Dörfern und den Straßen fernhielt, die scharf von Robotern überwacht wurden.
    »Doch die Roboter sind nicht intelligent genug«, sagte eine Frau. »Indem sich die Farmer so sehr auf ihre Maschinen verlassen, merken sie gar nicht, wieviel Freiheit sie uns

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