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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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stehen, hielten mich jedoch immer noch fest.
    »Wer sind Sie?« fragte ich.
    »Hier stellen nur wir Fragen. Los, bewege dich, Landmann! Der Boß will dich sehen.« Einer von ihnen zog ein Messer, packte mit einer Hand meinen Anzug, stieß das Messer hinein und schlitzte ihn auf acht Zentimeter Länge auf. Entsetzt hielt ich den Riß zusammen, damit die Atemluft nicht ausströmen konnte. So pflegte man mit einem potentiellen Angreifer umzugehen; wenn man sich nämlich um einen Riß im Anzug kümmern muß, kann man nichts anderes tun.
    Der Schock ließ eine Traumwelt vor mir entstehen.
    Die Männer führten mich aus dem demolierten Gebäude heraus und in ein anderes, das ich vorher nicht bemerkt hatte. Wie durch ein Wunder war es noch intakt. Das Innere war im Stil eines vergangenen und luxuriösen Zeitalters eingerichtet, überall gab es Vorhänge aus Naturfasern, in einer Ecke standen große dunkle Musikinstrumente, es gab Pflanzen, die nicht zum Verzehr bestimmt waren, echtes Holz und merkwürdige Möbelstücke, in denen man sich bequem räkeln konnte.
    Ein dicker Mann, wie man ihn selten außerhalb von Krankenhäusern sieht, saß an einem Tisch. Er aß Gerichte, wie man sie früher kannte, und bediente sich dabei komplizierter Instrumente. Als ich hereinkam, schob er das Essen beiseite. Er stand auf, und die Männer brachten mich zu ihm.
    »Haben Sie irgend etwas Wertvolles bei sich?« fragte er.
    In meiner Tasche hatte ich ein Bild. Es zeigte jemanden, den ich geliebt hatte, der sich auf mich verlassen hatte; entweder hatte ich diesen jemand im Stich gelassen, oder er oder sie - ich wußte nicht, wer es war - mich; aber der Eindruck von Liebe und Zuneigung überwog immer noch, obwohl die Verbindung schon vor Jahren zerrissen war. Dieses Bild war mein Eigentum, das einzige, sorgsam gehütete Symbol jenes Menschen.
    Krampfhaft schloß ich die Hand darum.
    »Ich habe nichts für Sie«, sagte ich.
    Der Dicke grinste höhnisch. »Sie müssen aber irgend etwas haben, Sie Narr. Dies ist das zwanzigste Jahrhundert, nicht das zweiundzwanzigste; jetzt hat jeder noch irgendeinen Besitz.«
    Die Männer zerrten meine Hand aus der Tasche. Ich hielt das Bild mit der rechten Faust umklammert. Sie bogen meinen Unterarm über die Tischkante. Einer versetzte mir einen fürchterlichen Schlag mit der Handkante. Ich verspürte in Arm und Schulter einen unerträglichen Schmerz. Ich schrie auf, und das Bild fiel auf den Fußboden.
    Der dicke Mann hob es auf und ging zu einem großen Behälter, der am Fenster stand. Ich rannte ihm nach. Der Behälter war mit einer Flüssigkeit gefüllt, deren Geruch mir vertraut war. Wie oft habe ich ihn verspürt, im Traum wie im Wachen! Es war ein Phenolsäurederivat, so stark, daß wir es 1:10.000 mit Wasser verdünnten, um die hartnäckigsten Pflanzenschädlinge auszurotten. Der Dicke warf das Bild hinein.
    Ich sah, wie das geliebte Gesicht sich auf dem Weg durch die Flüssigkeit drehte, verzog, und dann verschwand.
    Ich hatte die Hand in die Flüssigkeit getaucht, um es zu retten.
    Fast konnte ich es greifen, als mein Arm sich aufzulösen begann. Eine tödliche Lähmung kroch meine Adern entlang. In der Flüssigkeit waren keine Rückstände zu sehen. Mein Mund öffnete sich zu einem Schrei der Scham und Furcht, und ich fiel rücklings nieder, den Armstumpf mit der anderen Hand umklammernd. Die Auflösung wanderte auf die Schulter zu.
    Da zerbarst die Halluzination, und immer noch schluchzend, als ob ich nie mehr damit aufhören wollte, fiel ich in die Wirklichkeit zurück.
    Ich lag auf einem Haufen Säcke in einem dämmerigen, zerfallenen Zimmer. Eine Gruppe zerlumpter Männer blickte auf mich nieder. So fand ich mich zum erstenmal in der Gesellschaft der Wanderer.
     
     
    4
     
    Nachdem ich also zwei Monate an diesem Manuskript gearbeitet habe (oder nicht gearbeitet habe, was genauso schlimm ist), bin ich endlich bei den Wanderern angelangt. Vielleicht hätte ich mit ihnen anfangen sollen, weil sie in meinem Leben eine so wichtige Rolle spielen, denn obwohl ich nur kurze Zeit bei ihnen war, machte ihre merkwürdige Lebensordnung einen unauslöschlichen Eindruck auf mich: Sie hatte Platz für Vertrauen und Barmherzigkeit. Und das, obgleich sie gejagt wurden wie keine andere Gruppe. Aber noch wichtiger war, daß die Wanderer auf diesem Kontinent, wo alles und jedes in einer Sackgasse endete, eine Art Initiative für die Zukunft repräsentierten.
    Nein, ich konnte nicht mit ihnen anfangen. Zum

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