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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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als ob es unter einer furchtbaren Oberfläche aus Schuld gefangen sei.
    Sein Leiden - das erkannte ich bei jenem ersten Blick, den wir tauschten - war von meinem eigenen untrennbar, seine Verdammnis war die meine, und es war ebenso meine verlorene Seele wie ich selbst. Aber das erweckte kein Mitgefühl in mir, nur Haß. Ich warf mich auf das ekelerregende Ding.
    Als ich es bei der Gurgel packte, umklammerte es mich gleichfalls und wehrte sich wild. In jenen qualvollen Sekunden hatte es keinerlei Ähnlichkeit mit mir. Seine Fangzähne schimmerten vor meinen Augen, und ich drehte und wand mich, damit es mir nicht die Lippen zerfleischen konnte. Jetzt hatte ich den besseren Griff und preßte stärker zu, immer stärker, bis die Nähte meines Gewands barsten. Es wehrte sich und klammerte sich an mich, so daß sich ein blutiger Nebel vor meine Augen niedersenkte. Aber ich lockerte meinen Griff nicht, und allmählich erstarb das Glühen in seinen Augen. Ich schüttelte es noch einmal, und dann rollten wir gemeinsam in den öligen Sumpf.
    Sein Körper, sein schreckliches Gesicht waren unter mir. Langsam sank es immer tiefer, nur eine Hand blieb oben; ihre Finger berührten die meinen, dann verschwand alles in der schimmernden Schwärze des Meeres.
    Noch lange, nachdem das, was wie mein Spiegelbild ausgesehen hatte, längst versunken war, stand ich da und starrte ins Wasser. Es sind solche Perioden der absoluten Inaktivität, in denen der Mensch die tiefsten Erkenntnisse gewinnt. Ich fühlte mich erleichtert und geläutert. Zum erstenmal kam mir zu Bewußtsein, wie sehr mein Leben von Krankheit und Täuschung verfolgt gewesen war. Was für eine Art Phantom die Gestalt gewesen war, konnte ich immer noch nicht sagen; vielleicht war es nur eine Projektion meiner unterbewußten Sehnsucht gewesen, dem Elend meines eigenen Lebens zu entfliehen und eine Freiheit zu gewinnen, die ich nicht besaß. Aber was immer es auch gewesen sein mochte, ich erkannte, daß es nicht mehr existierte; ein Gefühl des Friedens breitete sich immer stärker in mir aus, als in mir die Gewißheit wuchs, daß ich nie wieder einer Schattengestalt das Steuer überlassen mußte.
    Die Philosophie zählt nicht zu meinen Stärken, obwohl ich oft versucht habe, über mein Leben und die erstickende Last, die uns die Geschichte auferlegt, Klarheit zu gewinnen, doch damals versuchte ich, den tieferen Sinn der Wahnträume, die meine Krankheit mir vorgaukelte, zu erforschen. Einige davon habe ich in diesem Bericht niedergeschrieben. In jenen vergangenen Zeiten waren sie für mich genauso wirklich wie die Welt, in der ich lebte, und die Kontinente, durch die ich in meinen Wahnvorstellungen wanderte, waren nicht minder phantastisch als Afrika oder Europa.
    Aber jetzt erzwang der Ozean, der alle Kontinente miteinander verbindet, meine Aufmerksamkeit. Er plätscherte um mich herum und erinnerte mich daran, daß mir kalt war und ich besser daran täte, aus dem Wasser herauszukriechen.
    Schon beim bloßen Gedanken an diese Anstrengung fühlte ich mich sterbenskrank, und mir wurde schwarz vor Augen.
    Keuchend trat ich Wasser. Ganz langsam und allmählich wurde mir etwas anderes bewußt, etwas, das mir durch das Hämmern in meinem Schädel ins Gedächtnis zurückgerufen wurde. Es war der Geruch von gebratenen Zwiebeln, dann der Duft von Blumen - dann verlor er sich, als mein Kopf explodierte. Der Migräneanfall war so heftig, daß ich ein paar Minuten lang nichts sehen konnte. Endlich lichtete sich der Nebel vor meinen Augen. Dort drüben lag die halb fertige, halb zerfallene Stadt Walvis Bay. Ich starrte durch die Dunkelheit hinüber, und zwar aus einem ganz seltsamen Blickwinkel; ich stand nämlich bis zur Brust im Wasser, unter einer Landungsbrücke, die von der breiten Promenade abzweigte. Endlich war ich wieder bei Sinnen, und irgend jemand lauerte ganz in meiner Nähe.
     
     
    12
     
    Ich machte keinen Versuch, meinen Verfolger zu umgehen. Mein ganzer Wille richtete sich darauf, an Land zu waten, damit die langen Brandungswellen mich nicht umrissen.
    Die Pfeiler der Landungsbrücke waren dick mit Seetang umwickelt. Ich lehnte mich gegen einen Pfeiler; das Wasser umspülte meine Fußgelenke, während ich versuchte, mich zu orientieren. Obwohl ich müde war, fühlte ich mich jetzt, da das Hämmern in meinem Schädel aufgehört hatte, ausnehmend wohl - hatte ich nicht endlich diesen Teufel in mir besiegt? Aber was bedeutet das eigentlich, inwiefern hatte es mich

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