Tod im Tal der Heiden
geistigen Häupter wie Solin und Murgal und andere, die Eadulf nicht kannte. An Eadulfs Tisch waren anscheinend die niederen Ränge der geistigen Berufe versammelt. Unterfürsten und Inhaber kleiner Ämter besetzten einen weiteren Tisch.
Eadulf sah, daß Bruder Solins Schreiber, Bruder Dianach, tatsächlich links neben ihm saß, wie Fidelma es vorausgesagt hatte. Eadulf eröffnete das Gespräch mit der Bemerkung, daß ihm dieses Bestehen auf einer strengen Sitzordnung als ein merkwürdiger Brauch erscheine. Der junge Kleriker überwand seine spürbare Schüchternheit so weit, daß er über Eadulfs angedeutete Kritik den Kopf schüttelte.
»Zur Zeit meines Vaters war der Mißgriff, daß Congal Cloén beim Bankett von Dún na nGéid tiefer eingeordnet wurde, als es seinem Rang entsprach, der Hauptgrund für die Schlacht von Magh Ráth«, erklärte er mit ruhigem Ernst.
Eadulf führte das Gespräch gern fort.
»Was für eine Schlacht war das?«
»Es war die Schlacht, in der der Großkönig Domnall mac Aedo den Congal und seine Verbündeten, die Dál Riada von jenseits des Meeres, vernichtete«, antwortete der junge Schreiber.
Ein älterer Mann an der anderen Seite von Dianach, der sich als Mel, der Schreiber Murgals, vorgestellt hatte, griff ins Gespräch ein.
»Um die Wahrheit zu sagen, war es diese Schlacht, die den Untergang der alten Religion bei den großen Königen im Norden besiegelte.« Mißfallen schwang in seinem Ton mit. »Gewiß, es gab Streit über die Beleidigung, die manCongal mit der Sitzordnung beim Fest zugefügt hatte. Aber die großen Fürsten von Ulaidh hatten sich lange gegen den neuen Glauben gewehrt, und der christliche König Domnall mac Aedo war entschlossen, ihn ihnen aufzuzwingen. Mit ihrer Niederlage gegen Domnall mac Aedo in der Schlacht von Magh Ráth brach ihr Widerstand zusammen. Der alte Glaube ist seitdem auf kleine, abgelegene Clans beschränkt.«
Der junge Schreiber, Bruder Dianach, bemühte sich, ein Schaudern zu unterdrücken, und bekreuzigte sich.
»Es stimmt, daß der christliche Glaube nach der Schlacht von Magh Ráth triumphierte«, gab er zu, »und Gott sei dafür gedankt. Es wurde erzählt, daß kurz vor dem Festmahl zwei schreckliche schwarze Gespenster den Versammelten erschienen, ein männliches und ein weibliches, die unheimliche Mengen an Essen vertilgten und dann verschwanden. Sie hinterließen einen bösen Einfluß. So kam es, daß König Domnall die Scharen Christi gegen die Scharen des Teufels führen mußte. Er besiegte sie,
Deo favente
!«
Der ältere Schreiber, Mel, stieß ein höhnisches Lachen aus.
»Wann hat sich das ereignet, sagtest du?« Eadulf ignorierte ihn und sprach zu dem jungen Mann, als sei er auf seiner Seite.
»Das war zur Zeit meines Vaters, vor knapp dreißig Jahren, als er noch ein junger Krieger war. Er verlor seinen rechten Arm bei Magh Ráth.«
Erst jetzt begriff Eadulf, daß er von der Schlacht schon einmal gehört hatte. Er hatte in Tuam Brecain studiert, und an dieser kirchlichen Hochschule gab es einen älteren Lehrernamens Cenn Faelad. Er unterrichtete irisches Recht, hatte aber auch eine Grammatik der Sprache des Volkes von Éireann geschrieben, die Eadulf beim Erlernen dieser Sprache geholfen hatte. Cenn Faelad hinkte, und als Eadulf ihn befragte, hatte er gestanden, daß er als junger Mann in einer Schlacht verwundet worden war, deren Ort Eadulf falsch als »Moira« verstanden hatte. Da Tuam Brecain damals neben der Rechtsschule und der kirchlichen Abteilung schon eine hervorragende medizinische Schule besaß, hatte man Cenn Faelad dorthin gebracht, und der Abt, selbst ein geschickter Chirurg, hatte ihn geheilt. So war Cenn Faelad dort geblieben, hatte das Recht statt der Kriegskunst studiert und war einer der größten Brehons der fünf Königreiche geworden. Eadulf wollte das gerade als seinen Beitrag zur Unterhaltung seinem Nachbarn berichten, als er unterbrochen wurde.
Laisre war aufgestanden, und ein neuer Hornstoß hatte Stille geboten. Eadulf fragte sich schon, ob Laisre tatsächlich ein
Deo gratias
zum Segen vor dem Mahl sprechen wollte, doch sogleich erkannte er seinen Irrtum. Laisre entbot lediglich seinen Gästen das übliche formelle Willkommen.
Die Diener trugen nun große Tabletts mit Speisen und Krüge mit Wein und Met auf. Eadulf bemerkte, daß die Teller mit warmem Fleisch ebenfalls förmlich der Rangordnung gemäß gereicht wurden. Besondere Stücke waren bestimmten Adligen, Amtsträgern und geistigen
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